Anarcho-Wohngemeinschaft mit Vergangenheit "Was tun, wenn's brennt?" - Verharmlosende Gefallsucht

Frankfurt/Main (rpo). Es waren einmal sechs junge Leute, die zeigten aus einem besetzten Haus heraus der Staatsmacht die Nase. Das war in deren wilder Zeit der Achtziger. Im Jahr 2000 wollen sich alle nicht mehr so genau daran erinnern.

Nur der Überzeugungs-Punk Tim und der beidbeinig amputierte Maik sind den alten Idealen noch treu.

Aber ein mit 13 Jahren Verspätung explodierter Sprengsatz in einer heruntergekommenen Grunewald-Villa sorgt dafür, dass sich die als allein erziehende Mutter von zwei Kindern herumschlagende Nele, die in schicke Klamotten gewechselte Flo, der selbstverliebte Werbeagentur-Inhaber Maik und der Jurist Terror noch einmal zusammentun müssen. Denn wenn ihr alter Intimfeind, der frustrierte Bulle Manowsky, herausfinden sollte, wer seinerzeit die Bombe in der Villa deponiert hat, wird es für alle verdammt eng, und einigen droht gar das jähe Ende ihrer neuen bürgerlichen Karrieren.

Als sich die sechs WG-Veteranen erstmals nach Jahren wieder begegnen, treten schnell Spannungen auf. Zwar ist das Ziel, nämlich die riskante Wiederbeschaffung eines belastenden Super-8-Films aus einem Polizeidepot, nicht umstritten. Doch für einen angehenden Staatsanwalt in spe ist diese Aktion von ganz anderer Brisanz als für Tim in seiner Lederjacke, der immer noch der alten Devise "Macht kaputt, was euch kaputtmacht" anhängt. Und den eitlen Selbstdarsteller Maik, der einst den verhängnisvollen Film drehte, kann eigentlich keiner ertragen. Dazu werden zwischen Tim und Nele alte Beziehungswunden neu strapaziert.

"Was tun, wenn's brennt?" ist der Titel des Regiedebüts des 35-jährigen Berliners Gregor Schnitzler nach einem Drehbuch seiner Generationsgenossen Anne Wild und Stefan Dähnert. Zweifellos handelt es sich dabei um einen der interessanteren deutschen Filme der letzten Zeit.

Denn er handelt nicht im Nirgendwo der Spaßgesellschaft und Seelenwehwehchen, sondern rückt die Zeitschicksale einer kleinen, aber aktiven Gruppe junger Menschen ins Blickfeld. Wie aus Kreuzberger Szenetypen Karrieristen, überlastete Mütter, Schicksen und ängstliche Staatsdiener werden, das sind seit dem Niedergang der Protestbewegung von 1968 Mitte der siebziger Jahre keineswegs untypische Lebensläufe der heute in Deutschland bestimmenden Schichten in der Politik, den Medien und dem Kulturbereich. Den Opportunismus, die Selbstverbiegung und die enormen Verdrängungskünste mancher ehemals Radikaler zeigt der Film dabei in eher mildem Licht.

Aber immerhin zeigt er es überhaupt. Sicherlich eher unfreiwillig offenbart er allerdings auch, welche Unernsthaftigkeit in diesen Spätausläufern der 68er-Kulturrevolte regierte. Im Grunde spielten weitgehend theorielose Kleinbürgerkinder Katz und Maus mit der Staatsmacht. Da ist natürlich einer wie Hotte, dem diese Art von Leben zur Natur wurde, dumm dran. Ihn als beinamputiert zu präsentieren, ist ein feiner Kunstgriff des Films, der mit zunehmender Dauer leider immer harmloser wird.

So verbleibt doch viel und am Ende alles an der schicken Oberfläche, die von der Produzentin Andrea Wilson als Berliner Geschichte "mit universellem Charakter" bezeichnet wird. Ob das ganze Universum daran interessiert ist, kann füglich bezweifelt werden, ist aber nebensächlich. Wichtiger ist, wie der Film mit verharmlosender Gefallsucht einen durchaus brisanten, an Möglichkeiten reichen Stoff entschärft. Nur der alte Haudegen Klaus Löwitsch in der Rolle des Polizisten Manowsky bringt jene Schärfe und Härte in die Handlung, von der sie mehr als nur Spurenelemente gebraucht hätte.

Til Schweiger mit typischer Nullmimik ist als blondierter Punk ziemlich unglaubwürdig, Martin Feifel als sein gesinnungstreuer Kumpel Hotte lässt indessen die Tragik seiner Figur spüren. Stark ist Sebastian Blomberg als Egomane Maik, ganz ein Typ unserer Zeit; bei Matthias Matschke bleibt rätselhaft, wie er sich je den Spitznamen Terror erworben haben könnte. Die patente Nadja Uhl ist eine Spur zu nett, Doris Schretzmayer als Flo hat die wohl blasseste Rolle. Trotz der Einwände sollte Regisseur Schnitzler weitere Chancen erhalten, Geschichten aus diesem Land zu zeigen - auch ohne universellen Charakter.

"Was tun, wenn's brennt?" läuft am 31. Oktober an.

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