Psychoanalytiker sind auch nur Menschen "Mortal Transfer" - Unerwartetes Comeback

Frankfurt/Main (rpo). Olga räkelt sich zu ihrem Redefluss über perverse Gewaltfantasien auf der Couch des Analytikers Michel Durand und dieser fällt in süßen Schlummer - immer wieder. Ein Grund für ihn selbst einen Psychoklempner aufzusuchen.

Nachdem Durand aus einem besonders wilden Olga-Traum erwacht, liegt Olga tot auf dem Divan.

Michel glaubt, er habe Olga während eines "Blackouts" erwürgt. In klassischer Hitchcock-Manier ist eine Leiche die Hauptperson dieses amüsanten Krimi-Vexierspiels, eine tote Blondine, die sich so leicht nicht abschütteln lässt. Selbst nach ihrer Entsorgung raubt sie Michel den letzten Nerv, verwickelt ihn in die Machenschaften ihres Ehemannes, eines Pariser Baulöwen, sät Zwietracht zwischen Michel und seiner Geliebten, der temperamentvollen Helene und treibt ihn in Nekrophilen-Kreise auf dem Pariser Dichter-Friedhof Pere Lachaise. Und Olga lässt auch die Leichen im Keller seines eigenen "Ich" wieder auferstehen.

Ohne Leid kein Freud: Freud, Lacan & Co. sind die Halbgötter dieser erotisch-ironischen und tiefschwarzen Krimikomödie, deren deutscher Titel "Tödliche Übertragung" auf die psychoanalytische Methode anspielt, Patienten durch eine "Sprechkur" von ihren seelischen Problemen zu kurieren. Sex, Tod, Geld sind dabei nicht nur in der Traumdeutung Schlüsselbegriffe, wie Michel Durand bald erfahren muss.

Olga Kubler, Kleptomanin und provozierende Sadomasochistin, hat vor ihrem Tode den Tresor ihres ebenso perversen Ehemannes geleert, und auch Monsieur Kubler wird bald ins Jenseits befördert. Da heizt einer seiner Patienten seinen Kamin mit knisternden Geldscheinen, und eine von Männern frustrierte Lehrerin blüht auf, als sie zum ersten Mal ein Schmuckstück stiehlt.

Damit hört das frivole Um-die-Ecke-denken dieses Krimis aber noch nicht auf. Nach fast zehnjähriger Spielfilmabstinenz ist Regisseur Jean-Jacques Beneix, der mit "Diva" und "Betty Blue" zwei Kultfilme der achtziger Jahre gedreht hat, mit dieser ironischen "Vertigo"-Version ein unerwartetes Comeback gelungen. Jean-Huges Anglade als charmant-verwirrter Seelenklempner war schon in "Betty Blue" mit von der Partie.

Im Vorübergehen lässt Beneix hier und da einen Hinweis auf die heiligen Psychoanalyse-Kühe fallen, nimmt deren Rituale elegant auf die Schippe, und treibt seinen Antihelden doch, mit einer großen Portion makabrem Slapstick, in Situationen, so vieldeutig wie ein Albtraum - je paradoxer, desto komischer, und es bleibt sogar noch Zeit für schwarze Romantik und Poesie. So stilsicher und atmosphärisch wie seine früheren Kultstreifen, richtet der sichtlich erwachsener gewordene Beneix, der das letzte Jahrzehnt mit Klavierspielen, Malen und als Dokumentarfilmer verbrachte, sein spezielles Augenmerk auf Gemälde, die zum Teil von ihm selbst stammen, und - wir befinden uns in einem französischen Film - auf seine Darstellerinnen, die ebenso intelligent wie erotisch in Szene gesetzt sind.

Die lasziv-vieldeutige Tote Olga (Helene de Fougerolles) und die sinnliche, geradlinige Lebende Helene (Valentina Sauca) sind zwei entgegengesetzte Pole, die Durand die Orientierung verlieren lassen. Und dann gibt es noch eine virtuelle Dritte, die wie das Salz in der Suppe das nötige Quäntchen schlechten Geschmack beisteuert: Ovidie, die S/M-Gestalt aus Michels Träumen, in der Realität eine Pornodarstellerin, die Philosophie studiert. Derselbe Mix wie in diesem fraglos schwülen, aber unblutigen und geistreichen Krimi.

Kinostart von "Mortal Transfer" ist am 31. Januar.

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