Kino-Kritik "Das doppelte Lottchen": Kästners Zwillingsklassiker

Düsseldorf (RP). Die Geschichte der beiden Mädchen, die nach der Scheidung ihrer Eltern getrennt aufwachsen, kommt nun erstmals als Zeichentrickfilm ins Kino. Erzieherisch wertvoll, aber ohne aufgesetzte Botschaft; kindgerecht, dabei nicht zu bieder: "Das doppelte Lottchen" gibt einem das Vertrauen in Kinderfilme zurück.

 Luise trifft plötzlich auf Lotte.

Luise trifft plötzlich auf Lotte.

Foto: Warner Bros.

Bisher hat es nur einen Zeichentrickfilm nach einer Vorlage von Erich Kästner gegeben: "Die Konferenz der Tiere" (1969). Bei den anderen Werken dieses Autors bestand keine Notwendigkeit, diese Form zu wählen, denn sie spielen an realen Orten, es passieren keine Wunder, und es treten keine Fabelwesen auf. Dennoch ist der Erfolgsregisseur und Produzent Michael Schaack ("Werner - das muss kesseln!!!") das Risiko eingegangen, nach dem Kinderbuchklassiker "Das doppelte Lottchen" einen Zeichentrickfilm zu realisieren.

Zunächst ist man befremdet von diesem wenig zwingenden Ansatz, dann erliegt man dem Charme der Bilder. Sie versuchen nicht, fotografische Realität zu zeigen, bemühen sich nicht um größtmögliche Flächigkeit. Ganz im Gegenteil, die kleinen Heldinnen Luise und Lotte könnte jeder Grundschüler nachzeichnen, so einfach sind die Striche. Schaack und sein Mitschöpfer Toby Genkel orientieren sich an den Illustrationen von Walter Trier, der bis zu seiner Emigration 1936 mit Kästner zusammenarbeitete und mit ihm befreundet blieb.

Die Geschichte der beiden Mädchen, die nach der Scheidung ihrer Eltern getrennt aufwachsen und lange Zeit nichts voneinander wissen, ist seit 1950 unzählige Male verfilmt worden. Gelegentlich wurde die Handlung modernisiert; Schaack und Genkel verzichten darauf und lassen sie in den fünfziger Jahren spielen. Der dargestellte Konflikt ist zeitlos. Während "Das fliegende Klassenzimmer" mit seinen harmlosen Schulstreichen veraltet wirkt, kann das Auseinanderreißen einer Familie weiterhin zu Tragödien führen, mag noch so sehr auf die Existenz glücklicher Patchwork-Familien hingewiesen werden.

Eine Scheidung ist nicht mehr das Tabuthema, das sie im Kino der fünfziger Jahre war. Folgerichtig wird den Eltern der Mädchen weder ihre Scheidung vorgeworfen noch ihre Einspannung in den Beruf. Aber dass sie Luise und Lotte belügen, ist nicht in Ordnung und erlaubt es den Kindern im Publikum, sich den Erwachsenen moralisch überlegen zu fühlen.

Daneben behandelt der Film ganz spielerisch Themen wie Mobbing in der Schule oder den Gegensatz von musischer und praktischer Begabung. Erzieherisch wertvoll, aber ohne aufgesetzte Botschaft; kindgerecht, dabei nicht zu bieder: "Das doppelte Lottchen" gibt einem das Vertrauen in Kinderfilme zurück.

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