Film-Kritik Viel Witz beim Flirten im Akkord

(RP). Das Beste, aber jetzt sofort, zum Mitnehmen, mit Upgrade-Garantie und zum Vorzugspreis: In der tollwütig gewordenen Waren- und Renommiergesellschaft ist diese Konsum-ist-Leben-Haltung zum allumfassenden Lebensprinzip geworden. Das heißt, es durchdringt auch die Liebessehnsucht, die Partnerschaftswünsche, die pure Lust und alle Mischformen daraus. Der Mensch, in den wir Lebenszeit investieren, soll optimal zu unseren momentanen Launen passen. Wir wollen keine Stunden verlieren, keine Pannen hinnehmen, keine Blamage erleben.

 "Guten Tag, ich heiße Briefmarkensammeln und meine Hobbys sind Peter."

"Guten Tag, ich heiße Briefmarkensammeln und meine Hobbys sind Peter."

Foto: X-Verleih

Aus dieser Haltung, die zwischen Autokauf, Musikdownload und Partnerwahl keinen Unterschied mehr erkennen kann, gemischt mit echter Zeitnot, Einsamkeit, Enttäuschungsangst, erwächst das Speed -Dating. Die für ein hektisches Leben optimierte Variante der Lebensglücksuche funktioniert so: Veranstalter bringen eine Gruppe Singles zu einer flotten Abfolge von Kennenlerngesprächen zusammen. Er und Sie haben jeweils fünf Minuten, sich einander vorzustellen, dann ertönt das Signal, und man rückt einen Stuhl weiter, zur nächsten Chance.

Die Angst, man könnte etwas verpassen, die Sorge, der Zufall könnte einem als große Liebe einen mangelhaften Menschen über den Weg schicken, gerinnt beim Speed-Dating zum Menschen-sind-auch-nur-Supermarktobst-Ritual. Man nimmt hoch, tatscht an (wenn auch nur mit Worten), fühlt nach weichen Stellen, schüttelt ein wenig, legt weg, wühlt weiter.

In seiner furiosen Debütkomödie "Shoppen" zeigt der deutsche Regisseur Ralf Westhoff den ganzen Irrwitz dieser Partnersuchtechnik und die Macken der real existierenden Erlebnisbegierigen, ohne seine Figuren rückhaltlos in die Pfanne zu hauen. Der Großteil des Films besteht aus den Kennenlerngesprächen, für die sich Westhoff, von dem auch das Drehbuch stammt, wunderbar skurrile und pointierte Dialoge ausgedacht hat. Er bricht mit allen Regeln der Dramaturgie, die derzeit an Filmhochschulen mit Blick auf die Quotenpanik des Fernsehens gepaukt werden. Er stellt uns achtzehn sehr verschiedene Hauptfiguren in neunzig Minuten vor, er verweigert die üblichen Handlungsmuster, er zeigt das Unangenehme an Leuten, die man nett finden möchte, und das Rührende an Typen, die zu hassen Spaß machen würde.

Ein Ensemble aus jungen, unverbrauchten Darstellern läuft zu großer Form auf. Zwar werden einige Typen sehr grob skizziert, zwar sind dem Drehbuch Menschen mit Grundsätzen - die Feministin, der Ökobewegte - suspekter als pure Opportunisten. Aber eine augenzwinkernde Menschenfreundlichkeit bewahrt den Film vor der puren Denunziation.

Immer wieder hat das deutsche Kino in den Neunzigern die Liebesnöte junger Großstädter bemüht, immer wieder hat es moderne Probleme und Neurosen formulieren wollen und ist doch bei Kopien des Klamottenkinos der Fünfziger gelandet. Westhoffs Komödie ist unangestrengt modern, frisch und witzig, und obendrein ganz ohne Zeigestock gesellschaftsanalytisch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort