Film-Kritik: "Die Hochstapler" Betrüger packen aus

(RP). Sie sind Menschenkenner, reagieren auf die unbewussten Signale ihrer Opfer, nutzen deren Schwächen, eiskalt. Und sie sind einsam, leben verstrickt in Lügen, die immer neue Lügen fordern, hungern von Kindheit an nach Freundschaft, Anerkennung und haben nie gelernt, dass man beides nicht erzwingen, ja nicht einmal verdienen kann. Mag man auch noch so auftrumpfen, in beeindruckende Identitäten schlüpfen, sich mit den Insignien von Reichtum und Erfolg ausstaffieren.

 Jürgen Harksen

Jürgen Harksen

Foto: Verleih

Vier Betrüger ganz großen Stils hat Regisseur Alexander Adolph zu langen Interviews vor die Kamera geholt und ihre Erzählungen zum fesselnden Dokumentarfilm "Die Hochstapler" montiert. Obwohl eigentlich nur die Gesichter der Männer zu sehen sind, ist das ungemein spannend: Männern, die das Lügen perfektioniert haben, sprechen ehrlich über ihre Taten - und es ist überraschend, was Betrüger beichten.

So erzählt etwa der wohl prominenteste unter ihnen, Jürgen Harksen, wie er reichen Hamburgern Millionen abluchste, um einen angeblichen Raketenflug zum Mond zu finanzieren. Harksen musste nur versprechen, die Werbeflächen auf der Rakete gewinnbringend zu vermarkten, schon flossen die Millionen. Die Naivität seiner Geldgeber verwundert ihn noch heute - und ihre Gier beruhigte jahrelang sein Gewissen. Doch bleibt der Film zum Glück nicht an der Faktenoberfläche, sondern gibt tiefe Einblicke in die Motive der Hochstapler, ihre Sehnsüchte und Ängst. Die vier Männer, die inzwischen alle im Gefängnis sitzen, sprechen über den Kick, den großspurige Rollenwechsel ihnen gaben und über die Wurzeln ihres Größenwahns in Kindheiten, in denen es wenig Freunde gab, dafür Schläge von den Eltern. Oder von Erziehern wie im Falle von Torsten S., der seine Jugend in Spezialheimen der DDR verbrachte. Erschütternd, wie er vom Inseldasein dort berichtet, von seinen Fluchtversuchen und davon, wie er beim Abhauen lernte, sich eine fremde Identität zu geben.

Doch so beklemmend diese Berichte sind, der Film versucht nicht, die Taten der vier Betrüger zu entschuldigen. Wenn etwa Mark Z. erzählt, wie er einen vereinsamten Bekannten zu Freizeitaktivitäten mitnahm, ihm "das Leben zeigte" und ihm dafür sein Erspartes abknöpfte, dann tritt die Kaltblütigkeit dieser Männer deutlich hervor. So betrachtet "Die Hochstapler" mit Erkenntniswillen ein Phänomen, das für spektakuläre Fälle in der Kriminalgeschichte sorgt - und für viel Leid bei Opfern wie bei Tätern.

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