Nachruf Karajans Lieblingssängerin

Modena · Die wunderbare italienische Sopranistin Mirella Freni ist 84-jährig gestorben.

 Mirella Freni auf der Musikmesse Midem in Cannes im Jahr 2010.

Mirella Freni auf der Musikmesse Midem in Cannes im Jahr 2010.

Foto: dpa/Lionel Cironneau

Er: „Ciao, Mirella!“ – Sie: „Ciao, Luciano!“

Diese beiden Sätze nur, mit einem Lächeln, ein ganzes Leben lang – vertrauter konnten sich Menschen nicht voneinander verabschieden. Die beiden waren im selben Jahr in derselben Stadt zur Welt gekommen, immer wieder kreuzten sich ihre Wege. Schon als Kinder hatten sie miteinander gespielt, ihre Mütter arbeiteten in derselben Tabakfabrik im italienischen Modena.

Im wirklichen Leben waren sie kein Liebespaar, aber schöner konnte niemand von Liebe mit all ihren Aufschwüngen und Verzweiflungen singen. Und selbstverständlich fällt einem jetzt, da die italienische Sopranistin Mirella Freni im Alter von 84 Jahren gestorben ist, diese eine Aufnahme ein, von der die einen sagen, sie sei der Gral, die anderen, sie sei die Referenz. Gemeinsam mit Luciano Pavarotti nahm sie 1972 mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan Giacomo Puccinis „La Bohème“ auf, das war die Frucht vieler Opernabende, die sie in der Rolle der lungenkranken Näherin Mimì bestritten hatte. Schon 1963 – da war sie gerade 28 Jahre alt – hatte sie die Partie mit Nicolai Gedda gesungen, später stand sie neben Domingo und Carreras auf der Bühne.

Um Mirella Freni, die eine der schönsten Stimmen des 20. Jahrhunderts besaß, rissen sich alle. Ihr Sopran hatte Wärme, Süße, Unschuld, Aufrichtigkeit, und selbst wenn sie keifte, war da nichts Böses, nichts Scharfes, sondern allenfalls etwas Exaltiertes in ihrer Stimme. Sie war eine wundervolle Desdemona (in „Otello“), eine anrührende Liù (in „Turandot“), eine tragisch umflorte Violetta Valéry (in „La traviata“), eine sich vor Liebe und Schmerz verzehrende Cio-Cio-San (in „Madama Butterfly“). Doch auch das Kesse bei Mozart lag ihr außerordentlich. Alles, was sie sang, das sang sie aus tiefster Seele. Sie konnte sich nicht verstellen.

Für Karajan war Mirella Freni wohl seine Lieblingssängerin, sie gab ihm das Herzenslob zurück: Er habe sie als Dirigent ja immer auf Händen getragen.

Als Pavarotti im Jahr 2007 starb, kommentierte sie die Trauerfeier für das italienische Fernsehen und rief am Ende ihr letztes „Ciao, Luciano“. Jetzt rufen wir voller Dankbarkeit: „Ciao, Mirella!“

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