Düsseldorf Der meisterhafte Reporter Jürgen Leinemann ist tot

Düsseldorf · Journalisten seien Leute, die ihren Beruf verfehlt hätten – das meinte Otto von Bismarck, selbst ein feiner Schreiber. Der im Alter von 76 Jahren in Berlin verstorbene Jürgen Leinemann, den eine "Spiegel"-Legende zu nennen nicht übertrieben ist, hatte den richtigen Beruf. Hätte sich der gebürtige Celler, der Geschichte, Germanistik, Philosophie studierte, für eine andere Profession entschieden – wäre dem "Spiegel" einer seiner besten Federn und der Bonner, danach Berliner Politik einer ihrer genauesten Beobachter der ganz speziellen Gewächse der Hauptstadt-Biotope vorenthalten geblieben.

Journalisten seien Leute, die ihren Beruf verfehlt hätten — das meinte Otto von Bismarck, selbst ein feiner Schreiber. Der im Alter von 76 Jahren in Berlin verstorbene Jürgen Leinemann, den eine "Spiegel"-Legende zu nennen nicht übertrieben ist, hatte den richtigen Beruf. Hätte sich der gebürtige Celler, der Geschichte, Germanistik, Philosophie studierte, für eine andere Profession entschieden — wäre dem "Spiegel" einer seiner besten Federn und der Bonner, danach Berliner Politik einer ihrer genauesten Beobachter der ganz speziellen Gewächse der Hauptstadt-Biotope vorenthalten geblieben.

Jürgen Leinemann fing nach dem Studium als Nachrichtenmann bei der Deutschen Presse-Agentur an. Die Jahrzehnte von 1972 bis 2007 als Reporter, Büroleiter (Washington, Bonn, Berlin), zuletzt Autor des "Spiegel" machten ihn zu einem Presse-Markenartikel. Leinemann bannte seine Leser durch sublime Charakterstudien aus der politischen "Suchtklinik" und durch Porträts von stupendem Einfühlungsvermögen. Ein Süchtiger des Faszinosums Politik blieb er zeitlebens. Vom Betäubungsmittel Alkohol gegen innere Leere berichtete er aus persönlicher, jedoch vor 30 Jahren überwunderer Erfahrung.

Der Buchautor Leinemann beeindruckte/bedrückte durch ein Schlusswerk, in dem er seinen unerbittlich abschnurrenden Lebensrest nach der Diagnose Zungengrundkrebs analytisch verarbeitete. Mit dem Bestseller "Höhenrausch" untermauerte der verheirate Vater und Großvater seine Meisterschaft beim Sezieren der Politik und ihrer kaum je zur Ruhe kommenden Akteure. Sie leben gewollt unter einer Käseglocke. Wenn sie lange dort bleiben, glauben sie am Ende, es gebe kein anderes Lebensmittel als Käse.

(RP)
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