Serie Die Top 10 Der Kunst Im Rheinland (2) Das Mosaik römischer Tafelfreuden

Im Römisch-Germanischen Museum zu Köln befindet sich einer der größten und besterhaltenen römischen Mosaikfußböden nördlich der Alpen. Er besteht aus 1,5 Millionen Steinen und ist auch durch ein Schaufenster zu betrachten.

Köln Auf kaum etwas sind die Kölner so stolz wie auf ihre römische Vergangenheit. Selbst wer die ausgegrabenen Schauplätze in der Innenstadt noch nicht ein einziges Mal betreten hat, weiß sie im ortsüblichen Überschwang zu rühmen. Das sogenannte Dionysosmosaik samt dem zugehörigen Gebäude unmittelbar neben dem Dom ist derart bedeutend, dass man 1974 ein Schatzhaus drumherum baute: das Römisch-Germanische Museum.

Man braucht nicht einmal einen Fuß in dieses Museum zu setzen, um einen Blick auf das Mosaik zu erhaschen. Es lässt sich bequem und dazu unentgeltlich auch durch ein Schaufenster von der Domplatte betrachten. Allerdings rückt man dann nicht so nah an die rund 1,5 Millionen Mosaiksteinchen heran, wie es nötig wäre, um alle Motive bis ins Detail zu würdigen. Zu sehen ist immerhin einer der mit 70 Quadratmetern größten und besterhaltenen römischen Mosaikfußböden nördlich der Alpen.

Das Haus, zu dem das Dionysosmosaik gehört, wurde 1941 bei der Anlage eines Luftschutzbunkers unmittelbar neben dem Kölner Dom an dessen Südportal entdeckt und ausgegraben: ein um 220/230 errichtetes Gebäude, das wie auch in Pompeji oder Herculaneum um einen rechteckigen Innenhof entstanden war, den eine Säulenhalle umgab. In der Mitte einer Hausseite lag ein Speiseraum, dessen Boden das Mosaik zierte.

Dort ist dieses Kunstwerk noch heute zu bewundern. Inzwischen ruht es auf einer von neun Stützen getragenen Konstruktion. Ende der 50er Jahre hatte man es zudem mit einer Kunstharzschicht überzogen, um die Farben zu schützen und zugleich frischer wirken zu lassen.

Die Bezeichnung des Mosaiks bezieht sich auf das Mittelbild der Komposition, eine Darstellung des griechischen Weingottes Dionysos, im Lateinischen als Bacchus geläufig. Trunken stützt er sich im zentralen Motiv auf einen Begleiter, umgestürzt liegt neben ihm ein zweihenkliger Trinkbecher.

Rings um dieses quadratische Mittelbild gruppieren sich unter anderem achteckige Felder mit dem bacchischen Reigen: Satyrn, die nach Mänaden - den Begleiterinnen - greifen oder auch mit ihnen im Rausch musizieren und tanzen, dazu der Liebesgott Amor auf einem Löwen sitzend. Mehrere Quadrate schließen den bacchischen Kreis: ein Silen mit Hirtenflöte, ein weiterer auf einem Esel, Pan mit einem Ziegenbock an der Leine und ein weiblicher Panther mit blauem Halsband.

In der Frühzeit solcher Mosaike waren die Mänaden als "rasend" dargestellt. Im Kölner Mosaik geben sie dagegen ein friedliches Bild zur Ehre der Sinnenfreude ab. Zu den Rändern hin nimmt das Mosaik zusehends auf den Speisesaal Bezug: mit der Darstellung von Tauben, Obst und einem Hund, der schon die Knochen der Mahlzeit erwartet. Auch Austern sind in dieser Bilderfolge verewigt. Vermutlich hatte ein reicher, genussfreudiger römischer Kaufmann Haus und Mosaik in Auftrag gegeben.

Hier könnte die Geschichte vom sinnenfrohen mediterranen Mosaik am Rhein enden, wenn nicht im 4. Jahrhundert die Franken eingefallen wären. Das Haus brannte ab, die Balken und Dachziegel stürzten auf das Mosaik und hinterließen dort Brandspuren. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, davon war der viel spätere Friedrich Hölderlin überzeugt. Für Köln heißt das: Durch den Schutt legte sich eine schützende Schicht über die Mosaiksteinchen aus Kalkmörtel, römischer Keramik und Abfallprodukten der römischen Glasmanufakturen. Erst einen Meter oberhalb des Fußbodens setzten die Zerstörungsschichten des 9. und 10. Jahrhunderts ein.

Der Versicherungswert des Mosaiks beträgt heute 15 Millionen Euro. Wer sich je gefragt hat, warum man ein fest installiertes Mosaik versichern muss, bekam die Antwort in der Nacht vom 18. auf den 19. Januar 2007. Damals riss der Orkan Kyrill die Holzabdeckung des Brunnens auf der Domplatte los. Eine Bö schleuderte die Balken und Bretter über den Roncalliplatz in die benachbarte große Fensterscheibe des Museums und beschädigte das Mosaik erheblich. Zahlreiche Steine waren ausgebrochen, Medaillons beschädigt, nur der trunkene Dionysos hielt sich aufrecht. Vor den Augen der Museumsbesucher arbeiteten Restauratoren fast zwei Jahre lang daran, den alten Zustand des Mosaiks wieder herzustellen. Am Jahrestag des Orkanschadens feierte Köln die Wiederherstellung - nicht mit Kölsch, versteht sich, sondern stilgerecht mit Wein.

(RP)
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