RP Plus Die Rückkehr der düsteren Pop-Poeten

Seit 33 Jahren gibt es Depeche Mode. Seit 33 Jahren liefern die Briten höchste Qualität ab. Das ist auch bei der neuen Single "Heaven" nicht anders. Annäherung an eine unglaubliche Band.

 Depeche Mode zählen zu den einflussreichsten Bands der Welt.

Depeche Mode zählen zu den einflussreichsten Bands der Welt.

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Seit 33 Jahren gibt es Depeche Mode. Seit 33 Jahren liefern die Briten höchste Qualität ab. Das ist auch bei der neuen Single "Heaven" nicht anders. Annäherung an eine unglaubliche Band.

Es gibt unzählige Brüche in der Geschichte von Depeche Mode. Jeder einzelne davon hätte für neun von zehn Bands das Aus bedeutet. Nach dem ersten Album von Dave Gahan, Martin Gore, Andrew Fletcher und Vince Clark, das ein Jahr nach der Gründung 1980 erscheint, geht der kreative Kopf der Gruppe, Vince Clark. Keine Lust mehr, Bock auf was anderes. Martin Gore übernimmt, führt den Synthie-Pop-Stil fort und verwandelt ihn doch schleichend in dunkles Pop-Drama voller Sehnsüchte, Hoffnungen und Verzweiflung.

1982 stößt Alan Wilder dazu und wird schnell kongenialer Partner Gores, prägt den Sound, die Arrangements, formt Welthits mit wie "People Are People" und "Master And Servant" (beide 1984) und schmeißt 1995 nach einer triumphalen Welttour hin. "Ein Riesen-Ego weniger in der Band. Jetzt sind es nur noch drei", sagt Sänger Dave Gahan lakonisch in einem Interview.

Dave Gahan. Er überredet die anderen, sich von "Composition of Sound" in "Depeche Mode" umzubenennen, doch sonst ist sein künstlerischer Einfluss in den ersten Jahren gering. Die Köpfe der Band schätzen ihn als großartigen Sänger, der ihre Ideen perfekt umsetzen kann, viel mehr aber auch nicht. Er ist darüber unzufrieden, frustriert, er ist labil, nimmt Drogen und säuft. 1995 versucht er, sich umzubringen, 1996 spritzt er sich einen Cocktail aus Heroin und Kokain und ist zwei Minuten lang klinisch tot.

In unterschiedlichen Autos zum Konzert

Depeche Mode erzählen nichts von der großartigen Freundschaft, die sie alle verbindet, von der herrlichen Chemie, davon, wie furchtbar lustig es bei ihnen im Tourbus zugeht. Andrew Fletcher erzählt, dass sie bei vielen ihrer Tourneen in unterschiedlichen Autos ankamen, sich nur auf der Bühne sahen und dann in unterschiedlichen Hotels verschwanden. "Nach so einer langen Zeit sind wir wie Brüder. Aber deine Brüder willst du nicht ständig um dich haben, oder?"

All das muss man wissen, um zu verstehen, wie einzigartig diese Band ist, die seit 1980 elf Studioalben veröffentlicht und mehr als 100 Millionen Platten verkauft hat. Sie hätten mehrfach jeden Grund gehabt, aufzugeben, aber sie machten stattdessen immer weiter. Fast manisch arbeiten die Musiker in den ersten Jahren, bringen zwischen 1981 und 1987 sechs Alben heraus. Sie werden zu einer der stilprägenden Bands der 80er, schaffen frühe Klassiker wie "Just Can't Get Enough", "Everything Counts", oder "People Are People", und da ist ihr Über-Album "Violater" mit den Meisterwerken "Personal Jesus" und "Enjoy The Silence" noch gar nicht erschienen.

Es verkauft sich mehr als 15 Millionen Mal und macht sie 1990 endgültig zu Weltstars, unumstößliche Herrscher ihres eigenen Genres, des düsteren Elektro-Pops. Weltweit, auch in den USA, füllen sie Stadien und sind in ihrer Art, Melancholie mit blechernen, scheinbar kalten Klängen zu verbinden, konkurrenzlos. Dabei entfalten Depeche-Mode-Songs wie "Walking In My Shoes" (1993), "Home" (1997) oder "A Pain That I'm Used to" (2005) gerade durch ihre unheimliche Andersartigkeit eine extreme emotionale Wucht. Es ist, als würde man tief in die seelischen Abgründe der Band blicken und dort doch nur sich selbst entdecken. Mit Depeche Mode ist man zusammen allein.

"Wir haben nun Respekt füreinander"

"Wir haben ein Problem mit dem Leben", bringt es Dave Gahan einmal auf den Punkt. Das einzige, was sie damit umgehen lässt, ist die Musik, sie können gar nicht aufhören, das brächte sie um. Sie haben künstlerisch nie nachgelassen, sind nie abgestürzt, haben kein Album, für das sie sich schämen müssten. Trotz all der Rückschläge stehen sie immer wieder da, geben Interviews, treten auf. Im Jahr 2008 sagt Martin Gore: "Wir haben nun Respekt füreinander."

Er, Dave Gahan, der sich längst auch als Songschreiber etabliert hat, und Andrew Fletcher sind nun Anfang 50, haben alle Kinder und sehen aus, als hätten sie eine Karriere als städtische Beamte hinter sich, keine 33-jährige Pop-Karriere voller Drogen und Drama. Sie wirken frisch und gelassen, als sie im Herbst 2012 in Paris ihr neues Album und eine Tournee ankündigen, die sie im Sommer auch nach Deutschland führt.

"Delta Machine", das am 22. März erscheinen soll, wird ihr 13. Studioalbum. Sie sind die letzten wirklich großen Stars der 80er, die heute immer noch groß und nicht peinlich sind. Die erste Single "Heaven" (Video hier ansehen), die bereits erhältlich ist, ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Sie kommen nach vier Jahren mit einem leisen, zurückgenommenen Stück zurück, eine musikalisch schwermütige Klavierballade mit nur leichtem Synthie-Einschlag und einem eher schlichten Performance-Video.

Es ist kein großes "Hallo, hier sind wir!", es ist das lässige Comeback dreier großartiger Musiker, die seit 33 Jahren Bestandteil des globalen Pop-Gedächtnisses sind. Zeitlos und einmalig.

(seeg)
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