Präsident Klaus Iohannis Rumäniens schweigsamer Riese

Bukarest · Der deutschstämmige Klaus Iohannis hat die Präsidentenwahl in Rumänien gewonnen, zudem hat er einen jahrelangen Machtkampf mit den linkspopulistischen Sozialdemokraten gewonnen. Und doch wachsen die Zweifel an seiner Führungsstärke.

 Klaus Iohannis (60) bei der Vereidigung der neuen rumänischen Regierung Anfang November in Bukarest.

Klaus Iohannis (60) bei der Vereidigung der neuen rumänischen Regierung Anfang November in Bukarest.

Foto: AFP/DANIEL MIHAILESCU

Mit seinen 1,92 Meter Körpergröße überragt Klaus Iohannis die meisten seiner politischen Freunde und Widersacher. Betritt der rumänische Präsident einen Raum, richtet sich die Aufmerksamkeit fast automatisch auf ihn. Eine solche natürliche Präsenz kann auf Mitmenschen einschüchternd wirken. Sie kann den „Riesen“ selbst aber auch hemmen. So scheint es bei dem 60-jährigen Iohannis zu sein, der bei öffentlichen Auftritten oft hölzern wirkt und steif. Wohlmeinende nennen ihn bärbeißig. Zuletzt machte das Wort vom großen Schweiger die Runde.

Für einen Politiker sind all das eher zweifelhafte Attribute. Deshalb war es auch durchaus keine Selbstverständlichkeit, dass die Rumänen Iohannis am Sonntag bereits zum zweiten Mal zu ihrem Präsidenten wählten. Der liberalkonservative Amtsinhaber siegte klar gegen die frühere Regierungschefin Viorica Dancila von der linkspopulistischen PSD. Und das in einem Land, das als tief gespalten gilt zwischen den jungen und weltoffenen Bevölkerungsschichten in den Städten und den meist älteren und ärmeren Menschen in der Provinz.

„Heute hat das moderne, das europäische, das normale Rumänien gewonnen“, erklärte Iohannis nach seinem Sieg. Doch wie er das Land konkret verändern will, sagte er nicht. Dazu hatte er sich auch im Wahlkampf nicht näher eingelassen. Ein Schweiger eben. Allerdings hielten die wenigsten Kommentatoren das Temperament des Präsidenten für den wahren Grund seiner Zurückhaltung. Iohannis sei „einer wirklichen Debatte aus dem Weg gegangen“, um seine Gegner nicht zu mobilisieren, analysierte die Zeitung „Jurnalul National“. Tatsächlich sank die Wahlbeteiligung mit 49,9 Prozent auf ein Allzeittief.

Zu verstehen ist das alles nur, wenn man auf die Biografie des Siebenbürger Sachsen Iohannis blickt. Der Physiklehrer mit den deutschen Wurzeln verzichtete 1989 auf eine Ausreise in die Bundesrepublik und blieb mit seiner Frau Carmen, einer Englischlehrerin, lieber in Hermannstadt (Sibiu). Das kinderlose Paar wollte anpacken, die eigene Heimat aufzubauen. Im Jahr 2000 ließ sich Iohannis schließlich zum Bürgermeister wählen. Das Amt hatte er neun Jahre lang inne. Hermannstadt blühte in dieser Zeit auf, wurde 2007 sogar gefeierte Kulturhauptstadt Europas. Die Erfolge machten Iohannis landesweit bekannt und populär.

Ein Problem war das vor allem für die regierenden Postkommunisten in Bukarest. Die PSD führte Rumänien zwar in die EU, verstärkte aber zusehends ihre Versuche, den Rechtsstaat auszuhebeln und ein autoritäres Regierungssystem zu installieren. Ein linker Populismus verschaffte der PSD lange die nötigen Mehrheiten – bis 2014 Iohannis die Präsidentenwahl gewann.

Der Konflikt zwischen Iohannis und der PSD-Regierung prägte die rumänische Politik entscheidend. Zwar bestimmt der Premierminister die Richtlinien, und die Mehrheit der Abgeordneten hat die Gesetzgebung in der Hand. Das Staatsoberhaupt verfügt aber über empfindliche Vetorechte. Als sich die Korruptionsskandale in der PSD häuften und 2017 in Bukarest mehrmals Zehntausende Menschen gegen die Regierung auf die Straße gingen, stellte sich Iohannis hinter die Demonstranten. Es kam zu Krawallen und polizeilichen Übergriffen. Der Machtkampf drohte endgültig zu eskalieren.

Am Ende behielt der ruhige, bärbeißige Iohannis die Oberhand, auch dank anhaltender Unterstützung durch die EU. Ein Gericht verurteilte im Mai PSD-Chef Liviu Dragnea zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Fast gleichzeitig gewann die Opposition die Europawahl. Im Oktober zerbrach die PSD-Regierung. Am Sonntag nun siegte Iohannis bei der Präsidentenwahl.

Von Entspannung kann aber vorerst keine Rede sein, denn im Parlament gibt es keine klare Mehrheit. Premier Ludovic Orban führt eine bürgerliche Minderheitsregierung. Eine Konstellation, die wie gemacht ist für eine Leitfigur im Präsidentenamt. Iohannis jedoch scheinen derzeit die richtigen Worte zu fehlen. 

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort