Abschlussbericht zu Belästigungsvorwürfen beim WDR „Sexuelle Belästigung ist nur die Spitze des Eisbergs“

Bonn · Die frühere Gewerkschafterin Monika Wulf-Mathies hat untersucht, wie der WDR mit den Vorwürfen sexueller Belästigung umgeht. Das Ergebnis. Dahinter verbergen sich aus ihrer Sicht grundlegende Probleme.

 Monika Wulf-Mathies (rechts) und Tom Buhrow, WDR-Intendant, stellen den Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit sexueller Belästigung vor.

Monika Wulf-Mathies (rechts) und Tom Buhrow, WDR-Intendant, stellen den Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit sexueller Belästigung vor.

Foto: dpa/Oliver Berg

Nach Vorwürfen sexueller Belästigung gegen einzelne WDR-Mitarbeiter hat die frühere Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies einen „Kulturwandel“ im größten ARD-Sender gefordert. „Es hat sich sehr schnell gezeigt, dass das Thema sexuelle Belästigung nur die Spitze des Eisbergs ist, hinter dem sich Machtmissbrauch, vielfältige Diskriminierungserfahrungen und eine Unzufriedenheit mit dem Betriebsklima verbergen“, sagte sie am Mittwoch.

Es gehe nicht nur um die #MeToo-Debatte über sexuelle Belästigung, sondern um „strukturelle Defizite“. Es fehle an klaren Regeln und gegenseitiger Wertschätzung, so Wulf-Mathies in Bonn. Die 76-jährige stellte dort ihren Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit den Belästigungsvorwürfen vor. Sie war von WDR-Intendant Tom Buhrow mit der Untersuchung beauftragt worden. Der WDR hatte im Mai einem Mitarbeiter wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung fristlos gekündigt, mit einem anderen einigte sich der Sender außergerichtlich auf eine Trennung.

Trotz aller Gleichstellungsbemühungen bestehe im WDR noch immer ein „strukturelles Machtgefälle zwischen in der Regel männlichen Chefs und weiblichen Untergebenen“, kritisierte Wulf-Mathies. Das betreffe sicher nicht nur den WDR, sondern auch andere Medien- und Kulturinstitutionen. Dass der WDR überhaupt bereit gewesen sei, sich so gründlich durchleuchten zu lassen, finde sie mutig.

Die meisten bisher bekannt gewordenen Belästigungsfälle datierten noch aus den 90er Jahren. „Generell lässt sich sagen, dass bei diesen Fällen ein größerer Ermittlungseifer notwendig gewesen wäre“, sagte Wulf-Mathies. Inzwischen reagiere der WDR aber sehr viel konsequenter und schneller.

Führungskräfte im WDR würden vor allem nach ihren journalistischen Fähigkeiten ausgesucht, aber nicht nach charakterlichen Eigenschaften. Die Frauen selbst hätten aufgrund des Betriebsklimas kein Vertrauen gehabt, sich an ihren Arbeitgeber zu wenden. Wulf-Mathies regte unter anderem eine dauerhafte externe Beschwerdestelle und eine neue Dienstvereinbarung mit klaren Regeln gegen Machtmissbrauch an. Außerdem müsse der Arbeitgeber Vorwürfe „gründlich und proaktiv“ untersuchen.

Die dezentralen Strukturen des WDR förderten Seilschaften und Abschottung, kritisierte die ehemalige EU-Kommissarin. Im WDR bestehe ein starkes Machtgefälle nicht nur zwischen der Führungsebene und den Beschäftigten, sondern auch zwischen Festangestellten und freien Mitarbeitern. Das sei ein Nährboden für Machtmissbrauch. Es fehle ein wertschätzendes Betriebsklima. „Es ist aus meiner Sicht notwendig, dass der Intendant die Verbesserung des Betriebsklimas zur Chefsache macht“, forderte Wulf-Mathies.

Buhrow räumte ein, er habe „ein paar Mal schlucken müssen“. Ihm sei aber klar gewesen, dass sich unter der Oberfläche wesentlich mehr aufgestaut habe. „Dem müssen wir ins Auge sehen, und wir müssen uns das ungeschminkt sagen lassen.“ Man habe in den vergangenen Monaten schon manches verbessert und werde jetzt noch mehr tun. „Wir sind dabei, Strukturen aufzubrechen. Ich werde all das, was Sie gesagt haben, ernst nehmen“, versicherte er.

(see/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort