Bahrs Vorstoß löst Widerspruch aus "Private Krankenversicherung für alle"

Berlin · Mit einem neuen Vorstoß, den Zugang zur privaten Krankenversicherung zu erleichtern, löst Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei Kassen, Opposition und auch beim Koalitionspartner heftigen Widerspruch aus.

Der Zugang zur privaten Krankenversicherung (PKV) soll nach Vorstellung von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) leichter werden. "Ich möchte, dass alle Menschen selbst entscheiden können, wie und wo sie sich versichern wollen. Das ist meine Vision", sagte Bahr der "Rhein-Zeitung".

Bislang müssen Interessierte mindestens ein jährliches Brutto-Einkommen von 52 000 Euro nachweisen. Diese sogenannte Versicherungspflichtgrenze wäre außer Kraft gesetzt, wenn künftig alle Bürger Zugang zur Privaten erhielten. Notwendig sei dabei, "dass jeder die Grundleistung versichert hat".

Die Äußerung des Ministers löste in der Gesundheitsbranche Überraschung aus. Ein Sprecher Bahrs betonte, dass es keine konkreten Pläne gebe, die Versicherungspflichtgrenze zu kippen. Vielmehr habe Bahr aufgezeigt, wohin seine Politik perspektivisch führen solle.

Bei SPD und Grünen, die die private Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung nach dem Vorbild der gesetzlichen Kassen überführen wollen, stieß Bahrs Ankündigung auf heftige Kritik. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach von einem "Wahlgeschenk an die private Krankenversicherung zulasten der Bürger". Für Geringverdiener und mittlere Einkommen wäre die Private ein großes "Armutsrisiko". Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt warf Bahr vor, er wolle die "Zwei-Klassen-Medizin" verfestigen.

Auch die Union zeigte sich ablehnend. "Dieser Vorschlag ist völlig unausgegoren", sagte Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) unserer Zeitung. "Wenn man die Einkommensgrenze für die Privaten abschaffen würde, wäre im Gesundheitssystem keine Balance mehr gegeben." CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn reagierte bissig. Er verwies darauf, dass die Privaten auch die Regeln der Gesetzlichen übernehmen müssten, wenn sie ohne Beschränkung Kunden werben wollten. "Wenn das der Ansatz der FDP ist, werden das interessante Koalitionsverhandlungen."

Die PKV selbst reagierte zurückhaltend. Bahrs Überlegungen gingen grundsätzlich in die "richtige Richtung", sagte ein Sprecher. Angesichts der hohen Komplexität des Gesundheitssystems seien "noch viele Detailfragen zu klären".

Eben diese Detailfragen benennt der Chef der Barmer GEK, Christoph Straub: "Auch wir treten für einen vereinheitlichten Versicherungsmarkt ein, in dem für alle Krankenkassen und privaten Versicherungen dieselben Regeln gelten und alle Krankenversicherten das Recht haben, ihre Krankenversicherung ohne Nachteile frei zu wählen", sagte Straub.

Zu einer Angleichung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zähle aber nicht allein die Wahlfreiheit, sondern auch der Kontrahierungszwang — das ist die Pflicht der gesetzlichen Kassen, grundsätzlich Jeden aufzunehmen. Private können bislang Interessierte auch ablehnen. Nach Ansicht des Barmer/GEK-Chefs müssten bei den Privaten zudem Gesundheitsprüfungen wegfallen und sie müssten in den Risikostrukturausgleich, den die Gesetzlichen untereinander leisten, eingebunden werden. All diese Punkte müssten "mit Bedacht und parallel geändert werden", sagte Straub. So aber entpuppe sich "die Vision" als "verkappte Rettungsaktion für schwächelnde PKV-Unternehmen. Und das zu Lasten der Solidargemeinschaft".

(qua)
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