Zulieferer-Boykott Union und Grüne kritisieren Kurzarbeitergeld für VW

Berlin/Wolfsburg · Der Liefer-Boykott zweier Zulieferer trifft VW empfindlich: Bis zu 30.000 VW-Beschäftigten droht Kurzarbeit. In der Politik regt sich jedoch Kritik, dass der Beitragszahler für den Streit aufkommen soll.

VW-Zulieferer-Streit: Union und Grüne kritisieren Kurzarbeitergeld
Foto: dpa, jst cul fpt

Der Produktionsstopp bei Volkswagen sorgt auch in der Politik für Diskussionen. "Es ist nicht in Ordnung, dass der Beitragszahler belastet wird, weil ein Konzern mit seinen Zuliefererfirmen einen kaufmännischen Konflikt ausficht", sagte Thomas Gambke, Mittelstandsbeauftragter der Grünen-Bundestagsfraktion. "Das geht gar nicht."

Zwei Zulieferer aus Sachsen hatten vergangene Woche die Belieferung an VW eingestellt, nachdem ein Streit um einen millionenschweren Entwicklungsauftrag entbrannt war. Nun fehlen VW die Teile in der Produktion, weshalb das Unternehmen für Mitarbeiter im Werk Emden bereits Kurzarbeit bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen musste. Dies wird auch für das Stammwerk in Wolfsburg geprüft, wo die Bänder inzwischen ebenso ruhen wie im Zwickauer Werk. Insgesamt könnten fast 30.000 VW-Beschäftigte in den kommenden Tagen zu Hause bleiben müssen, weil ihnen die Arbeit ausgeht.

Auch für den Beitragszahler könnte der Arbeitsausfall teuer werden: Bei Kurzarbeit zahlt die Bundesagentur für Arbeit bis zu zwei Drittel des bisherigen Nettolohns aus der Arbeitslosenversicherung, sofern die nötigen Voraussetzungen erfüllt werden. "Grundsätzlich kann dabei auch ein Mangel an Rohstoffen oder Halbfertigwaren in Betracht kommen", heißt es im Arbeitsministerium. Außerdem werde geprüft, ob der Arbeitsausfall vermeidbar sei. Die endgültige Entscheidung würde von den zuständigen Arbeitsagenturen gefällt. Dort will man sich mit Verweis auf den Datenschutz nicht äußern.

Viele Politiker sind empört, dass VW den Konflikt auf Kosten des Beitragszahlers austragen will. "Das Kurzarbeitergeld ist nicht dafür gedacht, dass man seine Nachfragemacht auf dem Buckel der Beitragszahler finanziell absichert", schimpft Mittelstandspolitiker Hans Michelbach (CSU). Auch Gambke weist auf die vermeintliche VW-Macht hin: "Auf längere Sicht sitzt der Automobilkonzern am längeren Hebel. Er kann die Geschäftsbeziehung zum Zulieferer beenden."

Kurzfristig trifft der Lieferstopp VW jedoch hart. Experten rechnen mit etwa 10.000 Fahrzeugen, die in dieser Woche nicht von den Bändern rollen können. Und Analysten der Bank UBS schätzen, dass ein einwöchiger Produktionsstillstand allein in Wolfsburg den Bruttoertrag des Unternehmens um rund 100 Millionen Euro schmälert.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel rief daher zu einer raschen Beilegung des Konflikts auf. Und auch Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (beide SDP), in dessen Bundesland die Zulieferer ihren Sitz haben, forderte eine schnelle Lösung. "Es kann nicht sein, dass der Streit auf dem Rücken von Tausenden Beschäftigten ausgetragen wird", sagte Dulig, der an VW und die Zulieferer appellierte, sich möglichst rasch zu einigen.

Ähnlich sieht das Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: "Ich halte das Kurzarbeitergeld in diesem Sonderfall, den wir so noch nicht hatten, für gerechtfertigt. Man kann sich allerdings fragen, ob es in Ordnung ist, wenn nicht auch die Arbeitszeitkonten genutzt werden." Aus seiner Sicht sollten also erst Überstunden abgebaut werden.

VW kündigte an, das Kurzarbeitergeld aufzustocken, so dass die Mitarbeiter fast keine Einbußen haben sollen. Ökonomen rechnen damit, dass der Produktionsausfall bei dem Industrie-Schwergewicht VW die Konjunktur in Deutschland merklich belasten könnte.

(mar)
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