Picnic will Eröffnung von Standorten vorziehen Bestellungen bei Lebensmittel-Lieferdiensten nehmen wegen Coronavirus stark zu

Düsseldorf · Bislang fristen Lebensmittel-Lieferdienste wie Picnic ein Nischendasein, auch etablierte stationäre Händler wie Rewe können mit ihren Angeboten kaum punkten. Hilft die Angst vor dem Virus nun ausgerechnet beim dauerhaften Durchbruch?

 Mit einem kleinen Elektro-Transportern liefert Picnic die Lebensmittel aus – wie hier in Neuss.

Mit einem kleinen Elektro-Transportern liefert Picnic die Lebensmittel aus – wie hier in Neuss.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Die Angst vor dem Coronavirus hat bei Lebensmittel-Lieferdiensten zu einem spürbaren Anstieg der Bestellungen geführt. „Die Nachfrage ist um knapp 50 Prozent gestiegen – in allen Gebieten“, sagt Frederic Knaudt, Deutschland-Chef des niederländischen Anbieters Picnic. Das Start-up beliefert momentan mehr als 70.000 Kunden in Nordrhein-Westfalen, unter anderem auch am Niederrhein. Dort habe man den Anstieg der Nachfrage auch sofort gespürt, sagt Knaudt: „In den vergangenen Tagen wurden speziell haltbare Lebensmittel, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel verstärkt nachgefragt. Langsam normalisiert sich das wieder.“

Trotzdem will Picnic nun reagieren. „Wir arbeiten gerade daran, die Eröffnung weiterer Standorte vorzuziehen und die Teams schneller aufzubauen, um die Kapazitäten zu steigern“, sagt Knaudt. Zuletzt gab es Spekulationen, Picnic plane in diesem Jahr, in Köln und Bonn zu starten. Zunächst ist jedoch der Start in Düsseldorf geplant. Laut dem Picnic-Chef warte man dort lediglich noch auf eine Genehmigung der Stadt, um zu starten. Das Interesse scheint groß zu sein. Knapp 10.000 Düsseldorfer haben sich nach Unternehmensangaben bereits auf der Warteliste eingetragen.

Die hohe Nachfrage führt zu längeren Wartezeiten

Auch beim Konkurrenten Rewe hat man Veränderungen im Kundenverhalten festgestellt. „Beim Lieferservice verzeichnen wir – analog zum stationären Handel – eine deutlich erhöhte Nachfrage nach lang haltbaren Lebensmitteln, Nährmitteln, Konserven, Drogerie“, sagte eine Sprecherin. Sie bestätigte Kundenberichte, wonach sich die Lieferzeiten deutlich erhöht hätten. „Die hohe Nachfrage kann vereinzelt auch zu Wartezeiten von wenigen Tagen führen – die Lieferzeitfenster sind pro Tag begrenzt“, so die Rewe-Sprecherin.

Ähnlich ist die Situation beim Getränke-Lieferdienst Flaschenpost aus Münster, der inzwischen auch weitere trockene Lebensmittel und Haushaltsartikel im Sortiment hat. „Aktuell beobachten wir generell ein erhöhtes Bestellaufkommen“, sagt eine Sprecherin: „Wir tun alles dafür, unser Lieferversprechen einzuhalten, bitten unsere Kunden aber um Verständnis, falls eine Lieferung einmal länger dauert.“

Experte glaubt weiter an Vorteile des stationären Handels

Trotz der gestiegenen Nachfrage glaubt Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, nicht an einen dauerhaften Trend hin zum Online-Einkauf von Lebensmitteln. „Dafür hat der Online-Einkauf noch zu viele Nachteile“, sagt Heinemann. Er sei zum Beispiel in Deutschland – mit Ausnahme von Picnic – aufwendiger als der der Einkauf im stationären Handel. „Die Versorgung ist hier einfach exzellent, man ist innerhalb von spätestens 20 Minuten im nächsten Supermarkt. Die Lieferzeitfenster der meisten Online-Anbieter sind deutlich unflexibler“, sagt der Wirtschaftsprofessor.

Aus seiner Sicht könnte allenfalls Picnic profitieren. Anders als die Konkurrenz nimmt das Start-up zum Beispiel keine Liefergebühr ab einem Mindestbestellwert von 25 Euro, die Lieferung erfolgt in einem Zeitfenster von 20 Minuten. Doch auch bei Picnic sieht Heinemann Herausforderungen: „Dort hat man natürlich das Problem, dass man bereits jetzt an der Kapazitätsgrenze fährt. Ich habe selbst erlebt, dass es inzwischen zu erheblichen Lieferverzögerungen kommt.“

Picnic-Chef Knaudt sagt, man sei stolz, dass bislang alles stabil liefe, räumt aber ein: „Natürlich spielt man immer wieder Szenarien mit erhöhter Nachfrage durch, weil die sich ja zum Beispiel auch kurz vor Weihnachten sehr stark verändert. Aber momentan erleben wir ein Ausnahmeszenario, allein schon aufgrund der Geschwindigkeit, mit der sich die Zahl der Bestellungen verändert hat.“

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