Aktie im freien Fall Für Bayer wird es teuer

Meinung | Düsseldorf · Zum zweiten Mal hat eine Jury Bayer verurteilt: Der Konzern soll 80 Millionen Dollar Schadenersatz an einen Krebskranken zahlen. Bayers Reaktionen wirken zunehmend hilflos. Die Aktie ist im freien Fall, der Monsanto-Deal wird zu einer Bedrohung für Bayer.

 Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, steht vor der Hauptversammlung auf der Bühne

Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, steht vor der Hauptversammlung auf der Bühne

Foto: dpa/Henning Kaiser

Es geht immer noch schlimmer: Den ersten Glyphosat-Prozess (gegen Dewayne Johnson) hatte Bayer 2018 verloren und war zu 78 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt worden. Das war eine Einzelklage. Doch nun hat Bayer auch den ersten Prozess einer Massenklage verloren, die Geschworenen in San Fransisco sprachen in der Nacht dem krebskranken Ed Hardeman gar 80 Millionen Dollar zu. Das ist für Bayer umso schmerzhafter, als der Fall Hardeman als „Bellwether Fall“ gilt – er ist zwar rechtlich nicht bindend für die 760 in San Fransisco gebündelten Klagen, gibt aber für sie als repräsentativer Fall die Richtung vor. Das heißt, die übrigen Kläger haben es nun leichter, ihre Forderungen gegen den deutschen Chemiekonzern durchzusetzen.

Dabei hatte Bayer sich zunächst gute Chancen ausgerechnet, da Richter Vince Chhabria den Prozess in zwei Teile gespalten hatte: Im ersten Teil ging es um den Zusammenhang von Glyphosat und Krebs, im zweiten Teil um Informationspflichten und Schadenersatz. Zu Bayers großer Überraschung war schon der erste Teil zugunsten des Klägers ausgegangen.

Bayer Reaktionen auf die Urteile hören sich zunehmend hilflos an: Man sei enttäuscht, das Urteil sei ein Einzelfall, es gebe mehr als 800 Studien, die die Sicherheit von Glyphosat bestätigen. Doch wenn es Bayer nicht gelingt, die Gerichte von dieser Sicht zu überzeugen, nützt dem Konzern das alles nichts. Gewiss: In den Berufungsinstanzen urteilen allein Richter, keine Geschworenen. Richter lassen sich womöglich von Emotionen und der Konstellation „kranker David gegen deutschen Goliath“ weniger beeindrucken. Doch schon die Dauer und schiere Masse der Verfahren wird zur schweren Belastung für Bayer. 11.200 Kläger gab es bis Ende Januar. Rechnet man die zwei Urteile hoch, drohen damit - theoretisch - 800 Milliarden Dollar Schadenersatz. Theoretisch, denn so weit wird es nicht kommen. Bayer wird durchspielen, ob Vergleiche (wie zuletzt bei Xarelto) nicht doch zeit- und kostensparender sind. Der Finanzmarkt rechnet schon jetzt mit 20 bis 25 Milliarden Euro, die Bayer zahlen wird. Das ist nochmal der halbe Kaufpreis von Monsanto.

Bayer hatte beim Kauf von Monsanto alles auf eine Farbe gesetzt: Kriegskasse, Man Power, Strategie – alles setzte Konzernchef Werner Baumann auf diese eine Übernahme. Zahlen und industrielle Logik mögen gestimmt haben, doch die gesellschaftliche Dimension hat Bayer unterschätzt. Die Aktie ist im freien Fall, der Konzern droht leichtes Opfer für übernahmehungrige Hedgefonds zu werden. Falls das Roulette verloren geht, könnte der Unkraut-Vernichter zum Konzern-Vernichter werden.

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