Steag-Aufsichtsratschef Guntram Pehlke "Stadtwerke wollen die Steag vollständig erwerben"

Überraschende Kehrtwende: Die Stadtwerke verkaufen ihre Steag-Anteile nicht weiter. Ein Investor soll erst später in Ruhe gesucht werden.

2010 haben sieben NRW-Stadtwerke Evonik 51 Prozent an der Steag abgekauft. Sie haben sich verpflichtet, die weiteren Anteile bis 2016 abzunehmen. Wann ist es so weit?

Pehlke Das stimmen wir derzeit noch innerhalb des Stadtwerke-Konsortiums ab. Ich plädiere dafür, dass wir im Jahr 2014, spätestens aber 2015, unsere Call Option nutzen und die übrigen 49 Prozent an der Steag erwerben. Das wäre auch unter finanziellen Aspekten ein guter Zeitpunkt.

Warum?

Pehlke Die bisherigen Ausschüttungen an das Konsortium haben gezeigt, wie werthaltig die Steag ist. Deshalb möchten wir auch die übrigen 49 Prozent erwerben. Außerdem ist es derzeit günstig, Kredite für neue Investitionen zu bekommen. Und der Vertrag mit der Evonik AG stellt das Konsortium besser, je früher wir die Call Option auslösen.

Lange hieß es, Sie suchen einen Investor, an den Sie Anteile weiterreichen.

Pehlke Wir verfolgen diese Absicht weiter. Aber wir wollen die Steag mit günstig zu finanzierendem Fremdkapital nun erst vollständig erwerben, um uns dann in Ruhe einen Partner auszusuchen, der einen Mehrwert schafft. Ein präferiertes Modell wäre, diesen im Rahmen einer Kapitalerhöhung an Bord zu nehmen.

Eigentlich wollten die Stadtwerke sich einen Teil des Einsatzes per Weiterverkauf wiederholen. Machen alle die überraschende Kehrtwende mit?

Pehlke Tatsächlich ist niemand überrascht. Wir sind uns vielmehr einig, dass eine Kapitalerhöhung ein guter Weg ist, der Steag Mittel zufließen zu lassen, die das Unternehmen dann investieren kann.

Der wahre Grund dürfte sein, dass Sie keinen Investor gefunden haben?

Pehlke Nein. Wir sind von vielen Investoren angesprochen worden, die an der Steag interessiert sind – andere Energieunternehmen, Pensionsfonds, Finanzinvestoren, aus dem Inland, aus dem Ausland. Wir können uns auch durchaus vorstellen, mehrere Partner in den Eigentümerkreis aufzunehmen.

Für das erste Paket haben die Stadtwerke 650 Millionen Euro gezahlt, nun sind 600 Millionen fällig. Wie wollen sie das finanzieren?

Pehlke Festgelegt wurde nicht ein Kaufpreis, sondern ein Mechanismus zur Kaufpreisfindung. 600 Millionen Euro wären der maximale Preis. Auch hier gilt: Wenn wir die Call Option bald auslösen, wird es günstiger. Der Kauf soll, wie bei der ersten Tranche, durch Eigen- und Fremdkapital finanziert werden. Für das zweite Paket wollen wir mit den Stadtwerken bis zu 190 Millionen eigene Mittel bereitstellen.

Zu den Eigentümern gehören die Stadtwerke Duisburg, Oberhausen, Essen. Diese Städte sind so klamm, dass sie Hilfen vom Land bekommen. Ausgerechnet sie sollen nun ein großes Rad drehen?

Pehlke Nicht die Städte kaufen Steag-Anteile, sondern die Stadtwerke. Die sichern sich mit der Steag – und zwar ohne jegliche Steuermittel und ohne Risiko für die Kommunen – eine gute Ertragsquelle. Darum sind sich die Eigentümer ja auch so einig.

Oft macht die Steag negative Schlagzeilen. Das neue Kraftwerk Walsum 10 sollte schon vor vier Jahren ans Netz. Wann ist es so weit?

Pehlke Der Start von Walsum 10 wurde durch Baumängel erheblich verzögert. Nach dem Umbau des Kessels befindet sich das Kraftwerk derzeit in der Inbetriebsetzungsphase. Wir erwarten, dass es noch im Herbst den kommerziellen Betrieb aufnehmen wird. Es wird dann eines der modernsten und leistungsfähigsten in Europa sein.

Steag erzeugt für RWE Strom. Nunn lässt RWE Verträge auslaufen. Um wie viel geht es?

Pehlke 2012 ließ RWE Verträge im Volumen von 1300 Megawatt auslaufen, bis 2015 sollen Verträge mit 1200 Megawatt enden. Aber Steag hat sich entwickelt und verfügt nun auch über Vermarktungskompetenzen: Der Strom, den RWE bislang abgenommen hat, wird inzwischen mit Gewinn anderweitig verkauft.

Das neue Kapital, das der Steag zufließt, soll in Zukunftsgeschäfte gehen. Was wird das sein?

Pehlke Die Steag investiert in die Modernisierung ihres Kraftwerks-parks, in den Ausbau der erneuerbaren Energien und des Auslandsgeschäfts. Damit sind gute Grundsteine für die Zukunft gelegt.

Die Gemeindeordnung erlaubt kommunalen Betrieben Geschäfte nur, wenn sie in angemessenem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Städte stehen. Die Steag macht 60 Prozent des Umsatzes im Ausland.

Pehlke Gern würde die Steag auch wieder mehr im Inland investieren, aber nicht bei diesen energiepolitischen Rahmenbedingungen. Die Gewinne aus dem Ausland sichern bei der Steag 4000 Arbeitsplätze im Inland – das weiß auch die Politik.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH. LANGVERSION: WWW.RP-ONLINE.DE

(RP)
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