Steigende Strompreise in Deutschland Oettinger warnt vor Standortverlagerungen

Berlin · Die Deutschen haben 2011 so viele neue teure Solaranlagen installiert wie nie zuvor. Während Umweltminister Röttgen die Vergütung deutlich kürzen will, setzt Wirtschaftsminister Rösler auf ein neues Fördersystem. EU-Kommissar Oettinger warnt vor Standortverlagerungen der Industrie.

 Die Solarförderung sollte europaweit koordiniert werden, fordert EU-Kommissar Günther Oettinger.

Die Solarförderung sollte europaweit koordiniert werden, fordert EU-Kommissar Günther Oettinger.

Foto: dpa, Jan-Philipp Strobel

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat angekündigt, die Solarstrom-Förderung erneut zu kürzen, um die Neuinstallationen von Solaranlagen zu drosseln. "Wir brauchen eine deutliche Reduzierung des Zubaus", sagte Röttgen auf einer Fachtagung in Berlin.

Über die Höhe der Anpassung spricht Röttgen heute mit Vertretern der Solarbranche. Eine Absenkung des Vergütungssatzes um weitere bis zu 15 Prozent für ab Juli installierte Anlagen ist ohnehin schon geplant. Bereits zum 1. Januar war die Vergütung um 15 Prozent reduziert worden.

Für eine Kilowattstunde Solarstrom werden derzeit 24,43 Cent gezahlt. An der Strombörse kostet sie hingegen nur etwa fünf bis sechs Cent. Die Differenz zwischen Marktpreis und staatlich festgelegtem Vergütungssatz zahlen die Verbraucher über den Strompreis.

2012 ist die so genannte EEG-Umlage für den Ökostrom leicht von 3,5 auf 3,6 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Vor allem wegen des massiven Zubaus von Solaranlagen erwarten Experten 2013 eine weitere Erhöhung der Umlage auf etwa 4,5 Cent. Es gibt auch Schätzungen von bis zu 6,5 Cent. Die jährliche Stromrechnung eines Durchschnittshaushalts könnte sich dadurch um 100 Euro oder mehr erhöhen. Wegen des Preisverfalls bei chinesischer Ware und der Kürzung ab Januar war der Zubau an Solaranlagen im Dezember explodiert: Deutschlandweit wurden 3000 Megawatt neu installiert, so viel wie noch nie in einem Monat. Im Gesamtjahr 2011 waren es 7500 Megawatt (2010: 7400).

Die Solarförderung frisst derzeit pro Jahr rund acht Milliarden Euro und damit bereits mehr als die Hälfte der gesamten Ökostrom-Förderung. Da Deutschland über viel weniger Sonnenstunden verfügt als etwa Länder Südeuropas, halten Energieexperten die hohe Solarförderung hierzulande für verfehlt.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat daher einen Vorschlag der Monopolkommission aufgegriffen: Sie plädiert für ein völlig neues Fördersystem. Demnach sollen Energieversorger gesetzlich verpflichtet werden, eine bestimmte Quote "grünen Strom" ins Netz einzuspeisen. Als Ergebnis würde Windkraft gegenüber Solarstrom an Bedeutung gewinnen.

Für bereits installierte Solaranlagen solle der Vertrauensschutz gelten, die Produzenten erhielten weiter den Vergütungssatz, sagte Justus Haucap, Chef der Monopolkommission. Alle neuen Anlagen sollten dagegen nur noch nach dem neuen Quotensystem gefördert werden. Für dieses Modell plädierte auch Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Rösler stellte aber klar, dass die Umstellung des Systems nur langfristig funktionieren könne.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger warnte Deutschland vor einem drohenden Verlust energieintensiver Industrien. "Wir erleben, dass energieintensive Industrien Standortbetrachtungen und Standortwechsel vornehmen, weil in Deutschland der Strompreis für die Branchen Kupfer, Aluminium, Stahl, Kunststoffe, Chemie, Papier, in einem sensiblen Bereich angekommen ist", sagte er unserer Redaktion.

In der Solarstrom-Debatte warnte auch Oettinger vor steigenden Abgaben. "Allein die EEG-Umlage macht 13,7 Prozent des Strompreises aus, dazu kommen Stromsteuer, Mehrwertsteuer und andere Abgaben. In Summe sind das mehr als 40 Prozent an staatlichen Lasten", sagte der EU-Kommissar.

Unterdessen kündigte das Bundesumweltministerium an, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen wieder fördern zu wollen. Geplant ist ein einmaligen Investitionszuschuss.

(RP/csi/top/csr)
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