Arbeitsmarkt Frauen sind bei ihrer Jobwahl oft viel zu bescheiden

Berlin · Eine von der Bundesregierung geförderte Studie zeigt, dass sich Frauen oft unterhalb ihres Qualifikationsniveaus bewerben. Männer dagegen stört es nicht, wenn sie die formalen Voraussetzungen für eine Stelle nicht erfüllen.

 Die Altenpflege gehört zu den zehn Berufen mit dem größten Fachkräftemangel in Deutschland.

Die Altenpflege gehört zu den zehn Berufen mit dem größten Fachkräftemangel in Deutschland.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Frauen bewerben sich deutlich häufiger als Männer auf Stellen, die unterhalb ihres Qualifikationsniveaus liegen. Männer dagegen streben häufiger Jobs oberhalb ihrer formalen Qualifikation an. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor, die vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird.

Demnach suchen von derzeit rund 86.000 arbeitslosen Akademikerinnen nur zwei Drittel eine Stelle, die auch einen Hochschulabschluss erfordert. Das restliche Drittel der Frauen gibt sich mit einfacheren Tätigkeiten zufrieden. Bei den studierten Männern liegt der Anteil derer, die nicht-akademische Jobs akzeptieren, dagegen bei weniger als einem Fünftel. Und während 51 Prozent der derzeit arbeitslosen Männer keinen Berufsabschluss vorweisen können, suchen nur 45 Prozent der männlichen Arbeitslosen nach einer Tätigkeit als an- oder ungelernte Arbeitskraft. Zehn Prozent der ungelernten Männer bewerben sich dagegen als Fachkraft, obwohl sie dafür die formalen Voraussetzungen nicht erfüllen.

Die Forscher nennen mehrere Erklärungen für diese Unterschiede. So würden Frauen Stellenausschreibungen „anders lesen“ als Männer. Frauen „legen die genannten Anforderungen strenger aus, haben in der Folge häufiger den Eindruck, nicht über alle geforderten Kompetenzen zu verfügen“. Männer ohne Berufsabschluss würden zudem häufiger ihre informell erworbenen Kompetenzen mitberücksichtigen. „Möglicherweise haben Frauen auch geringere Ansprüche an ihre berufliche Tätigkeit, da sie häufiger in Teilzeit arbeiten und/oder als Zuverdienerin im Doppelverdienerhaushalt tätig sind“, schreiben die Studienautoren. Manchmal befürchteten die Frauen, „dass ein Mehr an Verantwortung im Job mit einem Weniger an Flexibilität einhergeht“, so die Studie.

Unternehmen sollten dies geschlechtstypischen Unterschiede stärker berücksichtigen, wenn es darum geht, den Fachkräftemangel zu bekämpfen, raten die Forscher. Das Ziel müsse es sein, qualifizierte Frauen auch in qualifizierte Jobs zu bringen. „Unternehmen können diese Frauen durch Weiterbildungsangebote und gezielte Ansprache in Stellenangeboten für sich gewinnen“, raten die Autoren. Mit dem einen Drittel der hochqualifizierten Frauen, die bisher unter ihrem Niveau arbeiteten, ließe sich ein Teil der derzeit über 60.000 offenen Stellen für Akademiker besetzen.

Männer hätten auch häufiger als Frauen eine Aufstiegsfortbildung absolviert. Dies führe dazu, dass von den sozialversicherungspflichtig beschäftigten Männern 15,2 Prozent als Spezialisten mit Fortbildungsabschluss arbeiteten, bei den Frauen aber nur 11,4 Prozent. Unter den Engpassberufen für die Gruppe der Spezialisten mit Fortbildungsabschluss fänden sich aber besonders viele frauentypische Tätigkeiten etwa in der Kranken- und Altenpflege, in der Geburtshilfe oder der Physiotherapie. Um Engpässe zu lindern, sollten vor allem hier mehr Frauen qualifiziert werden. „Gerade Mütter profitieren davon, wenn sie für die Weiterbildung freigestellt werden, so dass die Weiterbildung für sie keine zusätzliche zeitliche Belastung darstellt.“

Viele Teilzeit arbeitende Frauen wollten zwar nicht in Vollzeit wechseln, aber ihre Arbeitszeit ausweiten. „Es ist höchste Zeit, dass Unternehmen das Potenzial von Frauen im Rahmen der Fachkräftesicherung stärker nutzen und Maßnahmen ergreifen, diese wichtige Zielgruppe für qualifizierte Aufgaben azu motivieren“, sagte Stiudienautorin Lydia Malin.

Die größten Fachkräfte-Engpässe gibt es den Forschern zufolge entweder in männertypischen oder in frauentypischen Berufen. Nur knapp 16 Prozent aller Stellen in Engpassberufen würden überwiegend von beiden Geschlechtern ausgeübt.

Fast alle Top-Zehn-Engpassberufe für Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie für Akademiker seien aber männertypische Berufe aus dem gewerblich-technischen oder naturwissenschaftlichen Feld. Dazu gehörten Mechatroniker, Kältetechniker, Bauelektriker, Landmaschinentechniker, Lokführer, Sanitär- und Heizungstechniker oder Automatisierungstechniker.

Die Altenpflege ist unter den Top-Zehn-Engpassberufen die einzige Branche, in der überwiegend Frauen tätig sind. Um hier Engpässe zu lindern, empfehlen die Forscher mehr Qualifizierungen für Helferinnen und Helfer. Denn auffällig sei, dass sich viele Helferinnen und Helfer ohne Berufsausbildung genau in den Berufen arbeitslos meldeten, in denen es auf einem höheren Qualifikationsniveau besondere Engpässe gebe. „In 30 von 204 Engpassberufen für Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung gibt es in den dazugehörigen Helferberufen deutlich mehr arbeitslose Helferinnen und Helfer als nachgefragt werden. Diese stellen ein Fachkräftepotenzial dar.“

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