Berlin Erste Reformerfolge in Griechenland

Berlin · Experten attestieren Athen Fortschritte bei der Haushaltskonsolidierung und am Arbeitsmarkt. Regierungschef Antonis Samaras spricht bei seinem Besuch im Berliner Kanzleramt von den "enorm großen Anstrengungen" seines Landes.

Natürlich hebt Antonis Samaras bei seinem Besuch im Kanzleramt die eigenen Reformerfolge hervor. "Ich sehe das Glas halbvoll", sagt Samaras vor seinem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern in Berlin. "Wir liefern, Europa hilft", sagt der Ministerpräsident. Sein Land unternehme "enorm große Anstrengungen", um in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. "Wir versuchen, Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen."

Bei vielen Ökonomen und auch beim von der EU-Kommission beauftragten Griechenland-Sonderberater Horst Reichenbach ist Samaras das in Teilen schon gelungen: Vor allem bei der zuvor kaum vorhandenen Kontrolle der öffentlichen Ausgaben sei die griechische Regierung deutlich und spürbar vorangekommen, heißt es im jüngsten Quartalsbericht Reichenbachs vom Dezember. Auch im Gesundheitswesen und bei der Reform der Regionalverwaltungen zeigten sich Fortschritte. In diesen Bereichen beraten vor allem deutsche Fachleute die griechischen Behörden.

"Ich bin vorsichtig optimistisch, dass Griechenland in diesem Jahr die Turbulenzen und die bösen Überraschungen, welche das Land während der gesamten Euro-Krise begleiteten, hinter sich lassen kann", sagt Lars Feld, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. "Es zeigen sich die ersten Fortschritte in der Reformpolitik", so der Wirtschaftsweise.

Volkswirte wie Andreas Scheuerle von der Dekabank erkennen auch in aktuellen Wirtschaftsdaten eindeutige Verbesserungen. So konnte Griechenland im vergangenen Jahr erstmals – allerdings nur bereinigt um Konjunktureffekte – einen so genannten Primärüberschuss im Haushalt erzielen. Zieht man die Schuldzinsen ab und bereinigt man die Zahlen um die rezessionsbedingten Effekte, dann hat Griechenland also nicht mehr weiter mehr ausgegeben, als es einnahm. Rechnet man die Rezessionseffekte nicht heraus, ergibt sich allerdings immer noch ein Primärdefizit von 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das baldige Erreichen eines Primärüberschusses ist für den Internationalen Währungsfonds (IWF) die Voraussetzung dafür, das Land weiter mit Hilfskrediten zu versorgen.

Griechenland werde sein mit der EU vereinbartes Defizitziel 2012 mit einem Minus von 7,5 Prozent nur knapp verfehlen, sagt Scheuerle. Das Ziel lag bei 7,3 Prozent. Zudem seien die Lohnstückkosten seit 2009 spürbar gesunken, so dass die griechische Wirtschaft wettbewerbsfähiger wurde und 2012 wieder mehr exportieren konnte. Die Leistungsbilanz, wiederum bereinigt um jahreszeitliche Effekte, sei jetzt nahezu ausgeglichen. Der Schrumpfungsprozess werde 2013 allmählich zum Erliegen kommen, und 2014 kehre das Wachstum zurück. "In Griechenland hat sich etwas zum Besseren bewegt", resümiert Scheuerle.

Allerdings ist Griechenland von einer echten Trendwende noch weit entfernt. Noch immer ist zum Beispiel die Steuerverwaltung nicht in der Lage, überall ordnungsgemäß Steuerrückstände einzutreiben. Vor allem den Steuerschulden Selbstständiger wird noch kaum nachgegangen. In Kürze erst soll ein für die Steuerverwaltung zuständiger neuer Generaldirektor ernannt werden.

Symptomatisch für die weiterhin grassierende Korruption ist zudem der Skandal um die so genannte Lagarde-Liste, auf der über 2000 vermögende Steuersünder aufgelistet sind. Die frühere französische Finanzministerin und heutige IWF-Chefin Christine Lagarde hatte die Liste 2010 dem damaligen Finanzminister Giorgos Papakonstantinou übergeben. Doch sie verschwand kurz darauf, gegen die Steuersünder wurde nie vorgegangen. Als die Liste im Oktober 2012 wieder auftauchte, fehlten darauf drei Konten – die von zwei Cousinen des Ex-Finanzministers und von deren Gatten.

(mar)
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