Berlin 37 000 Bürger klagen gegen ESM

Berlin · Die Zahl der Deutschen, die sich der Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm angeschlossen haben, hat sich seit Juni verdreifacht. Das Gericht entscheidet kommende Woche. Finanzminister Schäuble fordert von Griechenland die Umsetzung der Spar- und Reformzusagen.

Die Zahl der Bürger, die sich der Verfassungsklage gegen den Euro-Rettungsschirm ESM angeschlossen haben, hat sich seit Ende Juni auf 37 000 verdreifacht. Damit sei dies die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik, teilte gestern der Verein "Mehr Demokratie" mit. Vor dem Verfassungsgericht wird der Verein von der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vertreten. Bereits Ende Juni hatte der Verein etwa 12 000 Bürger hinter der Klage versammelt. Die Verfassungsrichter entscheiden am Mittwoch kommender Woche über diese und weitere fünf Klagen. Unter anderen hatten auch die Linken-Bundestagsfraktion, der CSU-Politiker Peter Gauweiler sowie eine Professorengruppe um den Kölner Ökonomen Wilhelm Hankel Klagen eingereicht.

In der Berliner Koalition rechnet niemand damit, dass Karlsruhe die deutsche Beteiligung am Rettungsschirm kommende Woche tatsächlich für verfassungswidrig erklären und damit verbieten wird. Allerdings dürften die Richter dem Gesetzgeber weitere Auflagen zur Umsetzung machen, etwa die, dass der ESM-Gouverneursrat den Bundestag frühzeitiger und umfassender über geplante Aktivitäten informieren muss als bisher vorgesehen.

Der dauerhafte Rettungsschirm ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist das Kernelement der Regierungen im Kampf um den Erhalt der Euro-Zone. Er soll zusätzlich zu den bereits ausgereichten Mitteln des kurzfristigen Rettungsschirms EFSF von derzeit etwa 240 Milliarden Euro weitere bis zu 500 Milliarden Euro für die Krisenländer zur Verfügung stellen, um Staatspleiten abzuwenden.

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) berät überdies morgen, wie er EFSF und ESM durch flankierende Maßnahmen der EZB unterstützen kann. Hintergrund ist, dass sich auch die kumulierte Kraft der Rettungsfonds als noch zu gering erweisen könnte, um Länder wie Italien oder Spanien zu schützen. Die EZB werde Staatsanleihen von Krisenländern im Handel aufkaufen, wenn die Zinsen untragbar blieben, hatte EZB-Präsident Mario Draghi bereits angekündigt. Voraussetzung sei, dass die Länder Hilfsanträge beim ESM stellten und Spar- und Reformauflagen einhielten. Die EZB-Pläne sind vor allem in Deutschland umstritten. Die Bundesregierung teilt die Kritik der Bundesbank, wonach die EZB mit Anleihenkäufen ihr Mandat verletze, die Geldwertstabilität zu wahren. Allerdings hat auch die Bundesregierung keine Alternative parat, sollte sich die Krise zuspitzen.

Die griechische Regierung bemüht sich derweil um Unterstützung für die Streckung ihres Anpassungsprogramms. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ jedoch gestern nach einem Treffen mit seinem griechischen Amtskollegen Joannis Stournaras in Berlin kein Entgegenkommen erkennen: "Zentral ist, dass Griechenland seine Verpflichtungen vollständig umsetzt", sagte Schäuble.

Griechenland fordert wegen der schweren Rezession mehr Zeit für seine Reformen. Athen will die Defizitvorgaben seiner Geldgeber erst bis 2016 statt bis 2014 erfüllen. Mehr Zeit würde allerdings auch neue Hilfen bedeuten: Mit dem bisher vereinbarten zweiten Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro kann sich Griechenland nur bis Ende 2014 über Wasser halten.

Zusätzliche Hilfen für Athen, etwa ein weiteres Rettungspaket, sind in der Berliner Koalition bisher nicht mehrheitsfähig. "Es wäre schwierig, bei uns in der Fraktion ein solches Paket durchzusetzen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. "Das nominale Volumen von 130 Milliarden Euro für Griechenland halte ich für nicht ausbaufähig. Allenfalls im Rahmen dieser Summe sind Änderungen möglich", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister.

Die hektische bilaterale Besuchsdiplomatie in der Euro-Zone setzte sich auch gestern fort: Frankreichs Präsident François Hollande besuchte Italiens Ministerpräsident Mario Monti in Rom, EU-Ratspräsident Herman van Rompuy traf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Morgen erwartet der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy Merkel in Madrid.

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort