Mehrkampf-Meeting in Ratingen Abele kämpft sich zurück

Ratingen · Rico Freimuth muss die Saison wegen mentaler Erschöpfung beenden. Kai Kazmirek gibt beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen auf. Doch ein anderer deutscher Zehnkämpfer überzeugt vollauf.

 Die Zehnkämpfer Kai Kazmirek aus Deutschland und Kevin Mayer aus Frankreich unterhalten sich vor ihrem Start über 100 Meter.

Die Zehnkämpfer Kai Kazmirek aus Deutschland und Kevin Mayer aus Frankreich unterhalten sich vor ihrem Start über 100 Meter.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Als alles vorbei ist, sitzt Arthur Abele auf dem Siegerpodest. In aller Seelenruhe schreibt der Leichtathlet ein Autogramm nach dem anderen und steht für Fotos zur Verfügung. Er grinst. Die ganze Zeit. „Ich hätte nicht gedacht, dass der alte Mann noch so schnell laufen kann“, sagt der 31-Jährige. Kurz zuvor hatte Abele das 22. Ratinger Mehrkampf-Meeting gewonnen und sich mit 8481 Punkten im Zehnkampf für die Europameisterschaften qualifiziert, die im August in Berlin stattfinden.

Dass Abele nun als ernsthafter Medaillenkandidat in die Hauptstadt reisen darf ist alles, aber nicht selbstverständlich. Denn es ist erst ein paar Monate her, da wusste der Ulmer nicht, ob er überhaupt noch einmal professionell Sport betreiben kann. Ein verschleppter Infekt bei seinem Sohn hatte für eine halbseitige Gesichtslähmung gesorgt. Heilungschancen? Etwa 70 Prozent. „Ich hatte richtig, richtig Panik“, sagte Abele in der Rückschau. „Ich lag nur herum und habe gehofft, dass das wieder weggeht. Fünfmal am Tag habe ich meine Gesichtsübungen gemacht, habe durch die Cortison-Behandlung über 90 Kilo gewogen. Da wusste ich nicht, ob das überhaupt nochmal was werden würde mit dem Sport.“

Es wurde. Und das, obwohl nach der Lähmung noch Achillessehnenprobleme folgten. Eine Operation war unumgänglich, gefolgt von einer erneuten Zwangspause. „Bis Februar habe ich geglaubt, dass ich die Saison komplett abhaken könnte“, gibt Abele zu. „Da ging gar nichts. Doch ich wollte unbedingt. Ich habe an den Hüften Narben von dem Aquagürtel, so sehr habe ich mich gequält. Und dann wurde es im Frühjahr von Training zu Training besser. In den letzten Wochen waren die Ergebnisse plötzlich sensationell und ich wusste, da könnte was gehen.“ Sein Trainer Christopher Hallmann hat dafür eine einfache Erklärung. „Arthur ist ein besonderer Typ. Dem besondere Dinge passieren. Aber er kann eben auch besondere Dinge leisten.“

Das stellte er in Ratingen eindrucksvoll unter Beweis. In seinem ersten Zehnkampf nach zwei Jahren war es, als wäre er nie weggewesen. Routiniert spulte er sein Programm ab. Im Kugelstoßen stellte er mit 15,93 Metern sogar eine neue persönliche Bestleistung auf. Mit angezogener Handbremse sicherte sich Abele nach dem Ausstieg von Kai Kazmirek, der angeschlagen in den Wettbewerb ging, konkurrenzlos den Sieg. Und bewies damit, aus seinen Erfahrungen von vor zwei Jahren gelernt zu haben. 2016 qualifizierte sich Abele in Ratingen, ebenfalls nach langer Verletzungspause, mit über 8600 Punkten für die Olympischen Spiele in Rio – und schafft es dort dann nicht mehr, an seine Leistungen anzuknüpfen. Der Akku war leer. „Arthurs Comeback ist erneut spektakulär“, sagt DLV-Sportchef Idriss Gonschinska. „Er hat hier ganz kontrolliert eine Weltklasseleistung gebracht. Das haben er und sein Trainer unheimlich smart umgesetzt. Er musste nicht völlig an die Grenze gehen, das ist im Hinblick auf Berlin unheimlich wichtig.“ Nun reist Abele mit Kai Kazmirek und Matthias Brugger zum Zehnkampf-Wettbewerb nach Berlin.

Bei den Frauen setzte sich im Siebenkampf Carolin Schäfer deutlich durch, sie wird wohl begleitet von Mareike Arndt und Louisa Grauvogel. Schäfer, Kazmirek und Abele gehören zum engeren Kreis der Medaillenkandidaten. Und Edelmetall ist auch das große Ziel des 31-Jährigen. „Ich will endlich einmal eine Medaille gewinnen. Mit der Punktzahl von heute hat es bei einer EM bislang immer gereicht“, sagt der Ulmer. „Nur ein einziges Mal nicht. In Zürich hatte ich die gleiche Punktzahl und wurde nur Fünfter. Sowas passiert auch nur mir.“ Er grinst dabei. Ein besondere Mensch eben – der bereit ist, noch einmal besondere Dinge zu leisten.

(RP)
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