DHB-Team muss gewinnen Die Reifeprüfung

Varazdin · Für Handball-Bundestrainer Christian Prokop und sein Team geht es am Mittwoch um den Einzug ins EM-Halbfinale. Um seinen Job geht es dabei - trotz reichlich Kritik - aber nicht. Der 39-Jährige genießt volle Rückendeckung vom DHB.

Das ist Christian Prokop
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Foto: dpa, frg nic

Christian Prokop hat in der 60-Sekunden-Auszeit wieder mal viel mitzuteilen. Er redet schnell und laut. Wenig später geht es weiter, zeigt sich, wie viel seiner Informationen in den Köpfen der Spieler angekommen sind. Für den 39-Jährigen ist die EM die Reifeprüfung. Sie ist sein erstes großes Turnier als Bundestrainer. Gegen Spanien (Mittwoch, 20.30 Uhr/ZDF) geht es um den Einzug ins Halbfinale, das als Minimalziel galt. Ein Sieg muss her. Mit dabei ist dann wieder Maximilian Janke. Der Leipziger hatte seinen Platz an Linksaußen Rune Dahmke verloren, kehrt aber für den verletzten Paul Drux zurück.

Dass Ablösesummen gezahlt werden, ist normal, wenn der Umworbene noch einen Vertrag hat. In der Regel handelt es sich um Spieler. 500.000 Euro soll der Deutsche Handballbund (DHB) an den Erstligisten Leipzig gezahlt haben, damit dessen Trainer Prokop aus dem kurz zuvor bis 2020 verlängerten Kontrakt aussteigen konnte. Bei der EM hatten nicht nur Prokops Spieler die Leichtigkeit verloren, auch ihn hatte die enttäuschende Vorrunde ernster werden lassen. Der Sieg gegen Tschechien wurde zum Stimmungsaufheller. Die Niederlage gegen die Dänen schmerzte, machte aber Mut fürs "kleine Endspiel". Wie es geht, zeigte der WM-Dritte Slowenien am Dienstag beim 31:26 gegen Spanien.

Auch am Dienstag wirkte der 39-Jährige angespannt, konzentriert, als er die Fragen beantwortete. Der Gegner habe eine routinierte Mannschaft, die gerne den Kreisläufer ins Spiel einbezieht. "Wir haben unsere Taktik gegen ihre Abwehr besprochen und hoffen, dass wir es schaffen", sagte Prokop. Ein Manko war und ist bei diesem Turnier das schnelle Spiel nach vorne. Die sogenannten leichten Tore fallen den deutschen Spielern noch schwer.

Wahrscheinlich hat Prokop wieder die Glücksbringer dabei, die ihm Sohn Luca und Tochter Anna mitgegeben haben. "Das sind kleine Dinge, die man mal in die Hosentasche stecken kann", erzählte Prokop. Der am 24. Dezember in Köthen nahe Leipzig geborene Trainer hat seinen Bachelor- und Masters-Abschluss für das Lehramt Grund-, Haupt- und Realschule gemacht, doch sein Lebensinhalt besteht längst in der Arbeit mit Erwachsenen. Seit Mai 2017 sind dies die besten deutschen Handballprofis. "Ich will keine Kopie von Dagur sein", sagte Prokop. Sein Vorgänger Dagur Sigurdsson hatte bis auf die Enttäuschung bei der WM in Frankreich (Achtelfinal-Aus gegen Katar) sehr gute Arbeit abgeliefert.

Unabhängig davon, ob das Halbfinale auch erreicht wird, wird Prokop seine Arbeit fortsetzen. "Ich bin zu einhundert Prozent von diesem Trainer überzeugt. Und nach diesem Turnier noch viel mehr", sagt Bob Hanning. Der DHB-Vizepräsident und Manager des Bundesligisten Füchse Berlin hatte - auch gegen Widerstände - seinen Vereinstrainer Sigurdsson zum Bundestrainer gemacht. Und er hat Prokop, ebenfalls gegen Zweifel, geholt. "Wir wollen eine Medaille bei der WM 2019 holen und Gold bei den Olympischen Spielen. Dafür brauchen wir einen Trainer, der die Dinge visionär anpackt, der Mut zu Veränderungen hat", betonte Hanning.

Die Bilanz spricht für Prokop. Die EM-Qualifikation wurde souverän geschafft. In 15 Spielen kassierte seine Mannschaft nur drei Niederlagen ( vier Remis). Das Ziel, attraktiven und erfolgreichen Handball zu zeigen, wurde oft erreicht. Doch die Qualität und Intensität der Spiele einer EM sind höher und dichter. Die DHB-Auswahl kam schwer in die Gänge. Das Duell mit Spanien wird zeigen, inwieweit Trainer und Spieler vorangekommen sind. "Wir hatten immer gute Phasen, haben aber mit Ausnahme des Auftakts gegen Montenegro nie alle Puzzleteile zusammengebracht", sagte Hanning. Jetzt ist die Zeit dazu.

"Ich möchte mich weiterentwickeln", betonte Prokop, als er den Bundestrainerjob bekam. In Kroatien sagte er: "Ich habe viele wichtige Eindrücke gewonnen." Welche und wie diese sich auf seine Arbeit auswirken, ließ er offen. "Es geht es allein darum, dass ich dem Team helfe und wir alle eine optimale Leistung abrufen können." Prokop wählt seine Worte genau. Er ist kein Lautsprecher, sorgt auf diese Art und Weise nicht für Schlagzeilen.

Prokop hat kein Problem damit, Fehler einzugestehen - etwa, als er Abwehrchef Finn Lemke nach zwei Spielen nach Zagreb holte und so eine Korrektur vornahm. Er geht konsequent seinen Weg. Das tat er schon als Spieler. Weil die Schmerzen im Knie zu groß wurden, ließ er sich die Oberschenkel brechen. Aus einem X-Bein wurde ein leichtes O-Bein. Statt mit rechts warf er den Ball mit links - doch die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Der Bundesligaprofi beendete die aktive Karriere, wurde Trainer und ist nun der Hoffnungsträger des DHB zumindest bis 2022. Dann endet sein Vertrag

(RP)
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