Nach spektakulärem WM-Aus Brasiliens Fußball ist am Boden zerstört

Sao Paulo/Düsseldorf · Trainer Luiz Felipe Scolari übernimmt die Verantwortung. Er wird gehen. Für die Fans ist Torjäger Fred der Buhmann. Aber auch Bayern Münchens Dante, der den gesperrten Thiago Silva ersetzen sollte, gehört zu den großen Verlierern.

WM: Brasilien-Stars trauern nach historischer Pleite gegen DFB-Tram
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Brasilien-Stars trauern nach historischer Pleite gegen DFB-Tram

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Die Fans in aller Welt konnten es zunächst kaum glauben, die einen ihr Glück nicht fassen, die anderen den Schmerz kaum ertragen. Brasilien hatte die höchste Niederlage in einem Länderspiel kassiert, die erste in einem Pflichtspiel daheim seit 1975. Und das 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland war auch - so bitter dies sein mag - in der Höhe verdient. Die Gründe:

Der Nationaltrainer, der die Selecao 2002 zu ihrem fünften WM-Titel geführt hatte, das Amt aufgab und erst im November 2012 zurückgeholt wurde, hat zu viele Fehler gemacht: menschlich, psychologisch, taktisch.

Er hatte überraschend bei der Nominierung des Kaders auf einige Stars verzichtet. Jedoch gelang es ihm nicht, aus der Vielzahl exzellenter Fußballer eine Mannschaft zu formen. Er hat den hochbegabten Individualisten nicht vermitteln können, dass es bei einem solchen Turnier ohne Teamgeist nicht geht.

Historische Pleiten bei einer WM
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Scolari hat Druck aufgebaut anstatt ihn von den Schultern seiner Spieler zu nehmen. Das Tüpfelchen auf dem i war der Versuch, die Verletzung und das Fehlen von Neymar dazu zu nutzen. Anstatt in dem Moment Deutschland die Favoritenrolle zuzuschustern, erhöhte er nochmals den schon zuvor irren Druck: Jetzt erst recht, alle für Neymar.

WM 2014: Trauer und Schock bei Brasilien-Fans
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Schock und Trauer bei Brasilien-Fans

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Der Trainer hat es nicht geschafft, seiner Mannschaft ein System zu verpassen. Vom ersten Spiel an war keine Taktik, nicht einmal eine gewisse Ordnung zu erkennen. Und auch während des Spiels hat er keinen Einfluss genommen. Nach dem 0:1- und 0:2-Rückstand rannte die Mannschaft ungestüm nach vorne anstatt Stabilität herzustellen. "Ein Hühnerhaufen ist geordnet dagegen", meinte Franz Beckenbauer.

"Ich habe die schlimmste Niederlage in der Geschichte Brasiliens verschuldet", gestand Scolari. "Ich trage die Verantwortung, weil ich die Taktik bestimmt habe. Das ist vielleicht der schlimmste Tag meines Lebens." Für ihn werden schon bald bessere Tage kommen, denn er wird nicht mehr lange im Amt sein und kann sich dann seiner Familie widmen. Dass er erstmals Opa wird, kann ein schöner Trost sein.

Bayern-Stars trösten Dante nach Halbfinal-Niederlage
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Der Torjäger bekam den Zorn der Zuschauer zu spüren. Er wurde als Buhmann ausgemacht und von den eigenen Fans gnadenlos ausgepfiffen. Der 30-Jährige, im Vorjahr beim ConfedCup noch umjubelter Top-Torjäger, erzielte in den sechs Spielen nur ein Tor. Scolari hielt jedoch seine schützende Hand über ihn. Er sei eine Führungspersönlichkeit, behauptete der Coach. Zu sehen war davon nichts.

In Deutschland kennen ihn die Fans als zuverlässigen Abwehrchef, inzwischen auch als lustigen Musiker und Stimmungskanone. Jetzt lernten sie ihn von einer völlig anderen Seite kennen. Der 30 Jahre alte Verteidiger von Bayern München, der erst vor einem Jahr in der Nationalelf debütierte und den gesperrten Kapitän Thiago Silva ersetzen sollte, war Teil des Chaos' und hatte die schwächste Zweikampfbilanz. Dante und sein Nebenmann David Luiz wurden im Abwehrzentrum nach allen Regeln der Kunst durcheinander gewirbelt und schwindelig gespielt. "Das hat er nicht verdient", meinte sein Münchener Mannschaftskamerad Thomas Müller später. Mitleid pur.

Der 22 Jahre alte Star, der im Viertelfinale einen Bruch des dritten Lendenwirbels erlitt, verfolgte das Desaster daheim vor dem Fernseher. Scolari gestand: "Er ist Stürmer, kein Verteidiger. Ich glaube nicht, dass es mit ihm anders gelaufen wäre."

(RP)
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