DFB-Präsident Reinhard Grindel Der Ich-Sager

Frankfurt/Main · Der DFB-Präsident Reinhard Grindel weist Mesut Özils Rassismusvorwurf zurück. Zwei Monate vor der Vergabe der EM 2024 geht es ihm vor allem darum, etwas gegen das beschädigte Ansehen der Deutschen im Ausland zu tun.

DFB-Präsident Reinhard Grindel ist durch das Krisenmanagement rund um die Özil-Affäre unter Druck geraten.

DFB-Präsident Reinhard Grindel ist durch das Krisenmanagement rund um die Özil-Affäre unter Druck geraten.

Foto: dpa/Andreas Arnold

In den vergangenen Wochen haben sich die deutschen Bundesliga-Schiedsrichter in Grassau am Chiemsee auf die neue Saison vorbereitet. Der Lehrgang ist durch eine Indiskretion überschattet worden, die für nachhaltige Verstimmung beim DFB gesorgt hat. Ein Mitarbeiter des Verbandes hatte in einem Vortrag die Unparteiischen dafür zu sensibilisieren versucht, dass man im Beisein von Delegierten des europäischen Verbands Uefa kein unbedachtes Wort sagt. Es wurden zudem alle 18 Mitglieder des Exekutivkomitees gezeigt, verbunden mit Hinweisen, wer für, wer gegen und wer noch unentschieden hinsichtlich der Vergabe des EM-Turniers 2024 ist. Die „Bild“ hatte zuerst darüber berichtet.

Am Samstag ist nun DFB-Präsident Reinhard Grindel nach Grassau gereist. Er hat dafür extra seinen Urlaub unterbrochen. Die Schiedsrichter soll der oberste Funktionär in seiner Rede komplett in den Senkel gestellt haben. Nach Informationen dieser Redaktion zeigte sich Grindel erbost darüber, wie die als vertraulich eingestuften Informationen an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Damit, so der 56-Jährige, hätten die deutschen Unparteiischen der EM-Bewerbung im Duell mit der Türkei nachhaltig geschadet.

Reinhard Grindel - ehemaliger DFB-Präsident
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Das ist Reinhard Grindel

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Auch die Debatte um Mesut Özil kann in dieser Hinsicht Wirkung zeigen. Grindel hat die Diskussion am Donnerstag auf seine Art bereichert. Er reagierte auf eine Erklärung, die Özils Management Anfang der Woche verbreitete, nachdem unter anderem Grindel eine Stellungnahme des Spielers zum Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verlangt hatte. Diese auf Englisch verfasste Mitteilung hat ihre Höhepunkte in Özils Rücktritts-Erklärung, der Feststellung, es gebe in Deutschland und vor allem im DFB rassistische Strömungen, deren Opfer er geworden sei, und der Aufforderung, der Verbandspräsident möge sein Amt niederlegen.

Grindel schwieg dazu vier Tage lang. Dann ließ er eine Erklärung verbreiten. Ob sie die Debatte um die Integrationsfähigkeit des Fußballverbands befriedet, ist so wenig heraus wie die Frage, ob die Erklärung die Rücktrittsforderungen an Grindels Adresse verstummen lassen wird.

Der DFB-Präsident wiederholt in der Erklärung Allgemeinplätze aus dem DFB-Grundsatzprogramm. „Die Werte des DFB sind auch meine Werte“, schreibt er, „Vielfalt, Solidarität, Antidiskriminierung und Integration, das sind Werte, die mir sehr am Herzen liegen.“ Deshalb bedaure er es sehr, dass seine kritische Haltung zu Özils Fotos mit dem türkischen Präsidenten „für rassistische Parolen missbraucht worden“ sei. „Jegliche Form rassistischer Anfeindungen ist unerträglich“.

Eine klare Distanzierung von solchem Gedankengut ersparte sich der DFB-Präsident im Fall Özil allerdings. Vor zwei Jahren war er noch deutlich schneller. Als der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland 2016 Jerome Boateng rassistisch beleidigte („Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“), schritt Grindel energisch ein. Es sei „einfach geschmacklos“, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft „für politische Parolen zu missbrauchen“, sagte er. Millionen Menschen liebten die Nationalmannschaft, „weil sie so ist, wie sie ist.“ Boateng sei „ein herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich übrigens auch gesellschaftlich stark engagiert und für viele Jugendliche ein Vorbild ist“.

Dass Özil 2010 mit dem Bambi für Integration ausgezeichnet und dass sich seine Stiftung für benachteiligte Kinder einsetzt, war 2018 zunächst mal kein Thema für die DFB-Oberen. Das zumindest kreidet sich Grindel als Versäumnis an. „Rückblickend hätte ich als Präsident unmissverständlich sagen sollen, was für mich als Person und für uns alle als Verband selbstverständlich ist“, schreibt er.

Im Zusammenhang „mit Rassismus genannt zu werden, weise ich für mich persönlich und den Verband entschieden zurück“. Dass er als Bundestagsabgeordneter mal die verhängnisvollen Sätze sagte, „Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel. Es ist eine Lebenslüge, weil Multikulti in vielen Vierteln eben nur Monokultur geschaffen hat, wo Anreize zur Integration fehlen“, kommentierte er nicht. Das Özil-Lager hatte ihm genau das zum Vorwurf gemacht.

Grindels Lehre aus der Affäre Özil: „Wir müssen die laufende Debatte zum Thema Integration zum Anlass nehmen, unsere Arbeit in diesem Bereich weiterzuentwickeln und zu fragen, wo wir neue Impulse setzen können.“ Genauer wird er nicht.

Was ihn wirklich umtreibt, ist der verheerende Eindruck, den die Debatte im Ausland hinterlässt. Özils große Popularität vor allem in Asien verbreitet den Vorwurf, die DFB-Führung handle rassistisch, weil sie sich nicht ausdrücklich gegen rassistische Anfeindungen zur Wehr setzt. Große Differenzierungen gibt es in diesem Prozess nicht. Das weiß Grindel als gelernter Politiker. Und er darf aus diesem Wissen schließen, dass die deutsche Bewerbung um die EM 2024 gerade einen ordentlichen Rückschlag erhält. Konkurrent in diesem Verfahren ist ausgerechnet die Türkei.

Weil die Uefa am 27. September über den Ausrichter entscheidet, drängt die Zeit. „Wir haben das große gemeinsame Ziel“, erklärt Grindel, dafür „arbeiten wir in den kommenden Wochen und Monaten mit großem Engagement“. Das Turnier könne schließlich „eine neue Geschichte des Fußballs erzählen, Kinder in die Vereine bringen, Menschen noch enger zusammenbringen. Mit und ohne Migrationshintergrund“. Das klingt dann wieder sehr nach politischer Werbebroschüre.

Das genau ist Grindels grundsätzliches Problem. Seine Glaubwürdigkeit leidet unter dem Politikersprech, mit dem er seine Auftritte versieht. Und sein Krisenmanagement wirkt stets weniger sach- als vielmehr ichbezogen. Der Schlüsselsatz findet sich ebenfalls in seiner Erklärung: „Ich gebe offen zu, dass mich die persönliche Kritik getroffen hat.“ Im Zentrum von Grindels Welt steht Grindel selbst. Für andere ist da kein Platz. Das könnte ihm zum Verhängnis werden, weil es nun jeder weiß.

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