Kolumne: Gegenpressing Auch die Bayern brauchen manchmal einen Torwart

Düsseldorf · In der Bundesliga leidet Manuel Neuer häufig an chronischer Unterbeschäftigung. Dann macht er das Spiel durch Ausflüge und halsbrecherische Dribblings spannend. Bei den großen Spielen ist er konzentriert und wohl der beste Schlussmann der Welt.

CL 13/14: Neuer pariert Elfmeter gegen Özil
14 Bilder

CL 13/14: Neuer pariert Elfmeter gegen Özil

14 Bilder

Manuel Neuer verdient nach zuverlässigen Schätzungen rund sieben Millionen Euro im Jahr. Damit ist er sehr wahrscheinlich die mit Abstand am besten bezahlte Teilzeitkraft im Fußball. Gebraucht wird der Torwart von Bayern München nämlich nur, wenn es in die wirklich großen Spiele geht. Die finden in der Bundesliga eher selten statt. Deshalb erleidet der Schlussmann dort wegen chronischer Unterbeschäftigung gelegentliche Anfälle von Hyperaktivität. Und er peitscht mit Ausflügen über das halbe Feld und halsbrecherischen Dribblings den Puls des Publikums in die Höhe. Das gibt diesen Spielen den dringend notwendigen Hauch von Drama.

Spannender sind für Neuer selbst die täglichen Trainingsspiele gegen die zweite Bayern-Mannschaft, in denen er ganz bestimmt häufiger seinem angestammten Beruf als Ballfänger nachgehen muss. Für die fußballerischen Glanzlichter sorgen dann die Kollegen ohne Handschuhe.

Wenn es aber wirklich darauf ankommt, sieht die Welt einen anderen Neuer — in den wenigen etwas engeren Bundesligaspielen und vor allem bei den Treffen in internationaler Höhe. Dieser Neuer beeindruckt durch seine große Präsenz, hohe Konzentrationsfähigkeit, starke Paraden und als erstaunlich fehlerfreier erster Aufbauspieler. "Große Spieler", hat sein Mitspieler Toni Kroos nach dem Auftritt bei Arsenal London gesagt, "erkennt man in den großen Spielen." Das war ausdrücklich auf Neuer bezogen. Er hätte es auch über sich selbst sagen können. Das ließ er dann allerdings lieber andere tun.

Neuer hat ebenfalls genügend Fürsprecher. Sein Trainer Pep Guardiola hält ihn sicher nicht zu Unrecht für den besten Torwart der Welt. Er ist ganz sicher der beste Torwart für das runderneuerte Guardiola-System. Anders als in Barcelona lässt der Coach bei den Münchnern nicht nur ein Kurzpass-Festival über das gesamte Feld betreiben. Er vertraut auch den Diagonal-Bällen aus der Abwehr, den raumöffnenden Pässen von Kroos und Thiago. Und er liebt geradezu Neuers Tempoverschärfungen durch extrem weite Abwürfe. Auch mit dieser Weiterentwicklung der Kunst des späten Toni Schumacher hat Neuer das Torwartspiel revolutioniert.

Und er kann natürlich nichts dafür, dass ihn große Teile der Bundesliga-Kundschaft nicht gerade zu Bestleistungen zwingen. Im Frühjahr in der Champions League und im Sommer bei der WM stehen ihm deutlich größere Herausforderungen bevor. Das ist tröstlich. Für Neuer, für München und für den DFB.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort