Warum Kanada aus dem Kyoto-Protokoll aussteigt

OTTAWA Auf Weltklimakonferenzen gibt es ein beliebtes Ritual: Täglich verleihen Umweltschützer einem Klimasünder das "Fossil des Tages" – eine Art Strafzettel für jene Länder, die beim Kampf gegen die Erd-erwärmung besonders stark bremsen. Bei der Tagung in Durban bekam Kanada sechs "Fossile" (Versteinerungen) – so viele wie kein anderer Staat.

Nun ist Kanada seinem Ruf als Klima-Fossil erneut gerecht geworden: Als erstes Land der Welt will es vorzeitig aus dem Klimaschutz-Protokoll von Kyoto aussteigen, dem bislang einzigen weltweit bindenden Klimaschutzvertrag, auf dessen Fortführung sich die Delegierten in Durban wenige Tage zuvor geeinigt hatten. Für den globalen Klimaschutz ist der Schritt des G 7-Landes ein erneuter Rückschlag. Der kanadische Umweltminister Peter Kent verkündete die Entscheidung nur wenige Stunden nach seiner Rückkehr aus Durban.

Kent betonte in Ottawa: "Das Kyoto-Protokoll ist für uns Vergangenheit, weil es große Emittenten wie die USA und China nicht mit einbezieht. Wir nutzen jetzt unser legales Recht, aus dem Vertrag auszusteigen." Der Schritt Kanadas hat vor allem finanzielle Gründe. Die konservative Regierung will damit mehr als 13 Milliarden Dollar Strafzahlungen einsparen. "Unser Schritt erspart jeder kanadischen Familie rund 1600 Dollar", rechnete Kent vor. Laut Kyoto-Protokoll müssen Länder, die ihre Minderungs-Verpflichtungen verfehlen, zur Kompensation Klimaschutzzertifikate im Ausland nachkaufen. Davon wäre Kanada massiv betroffen gewesen.

Das zweitgrößte Land der Erde hatte sich im Kyoto-Protokoll eigentlich verpflichtet, den Ausstoß klimaschädigender Treibhausgase von 1990 bis 2012 um sechs Prozent zu reduzieren. Passiert aber ist das Gegenteil: Die Emissionen lagen offiziellen Zahlen zufolge zuletzt 17 Prozentpunkte höher als 1990 und damit 23 Prozentpunkte über dem Kyoto-Ziel. Umweltschützer sprechen sogar von 30 Prozentpunkten. Damit hat Kanada eine der schlechtesten Klimabilanzen aller Kyoto-Vertragsstaaten.

Getrieben werden die Emissionen unter anderem vom steten Bevölkerungswachstum, der im Vergleich zu Europa robusten Wirtschaft und der intensiven Energieproduktion des Landes. Kanada ist weltgrößter Förderer von Öl aus Teersanden. Der Abbau gilt als besonders umweltschädlich. Laut Greenpeace werden dabei drei- bis fünfmal so viele Treibhausgase freigesetzt wie bei normaler Ölförderung.

Beim Ausbau regenerativer Energien hinkt Kanada im globalen Vergleich dagegen hinterher. In Kanada galten die Kyoto-Ziele daher schon seit Längerem als illusionär. Die Regierung hatte zwar immer wieder sporadische Klimaschutzprogramme aufgelegt, diese dann aber mit Blick auf wirtschaftliche Interessen wieder verwässert. Die Ölsand-Förderung im rohstoffreichen Westen und Norden des Landes wurde ungebremst vorangetrieben; die nationalen Emissionsziele wurden stetig abgeschwächt.

Greenpeace nannte den Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll ein "Armutszeugnis". Elizabeth May, die einzige Abgeordnete der Grünen im Parlament von Ottawa, kämpfte mit den Tränen, als sie die Entscheidung kommentierte: "Ich schäme mich so sehr für diese Regierung."

(RP)
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