Fehler im Kreml

Die russischen Wähler fühlen sich beleidigt. Verschaukelt und betrogen von einer Staatsführung, die vor lauter Selbstherrlichkeit die Bodenhaftung verloren hat. Das ist der Hintergrund der Proteste gegen das Ergebnis der Duma-Wahlen, die so schnell nicht abebben werden. Zum ersten Mal, seit Wladimir Putin vor elf Jahren die Macht von Boris Jelzin übernahm, sieht sich der Kreml mit politisch motiviertem Widerstand in größerem Maßstab konfrontiert. Bisher waren Massenproteste selten und gründeten auf materielle Unzufriedenheit. Die ließ sich mit ein paar Almosen leicht beheben.

Diesmal wird es schwieriger für Wladimir Putin und sein Gefolge. Denn Russlands Mächtige haben die Stimmung im Volk falsch eingeschätzt. Die meisten, die auf die Straße gehen, sind Vertreter der städtischen Mittelklasse. Sie sind gut ausgebildet und materiell etabliert. Und sie wehren sich dagegen, als dummes Stimmvieh missbraucht zu werden. Weil sie das als Verachtung ihrer Leistung und Verletzung ihrer Würde empfinden. Der Kreml will die Proteste nun mit Gewalt ersticken. Und ist damit dabei, den nächsten großen Fehler zu machen. Denn mit der Überreaktion verbaut sich die russische Führung die Möglichkeit zum Dialog mit den Andersdenkenden.

Bericht: Russland lässt . . ., seite a 5

(RP)
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