Schicksalsformel der Euro-Krise Der Fluch der Schulden

Düsseldorf · Die gegenwärtige Entwicklung des Euro ist gefährlich. Marode Volkswirtschaften und Kriege richten seit Jahrhunderten Länder zu Grunde. Doch der Absturz der Staatsfinanzen ist vermeidbar.

Diese Regierungen zerbrachen an der Euro-Krise
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Formeln schreiben Geschichte — etwa der Satz des Pythagoras oder die Relativitätsgleichung von Albert Einstein. Weniger bekannt ist die Bewegungsgleichung der Staatsverschuldung. Dabei entscheidet sie über das Wohl und Wehe von Völkern und Nationen. Man könnte sie auch als Schicksalsformel bezeichnen. Technisch ausgedrückt lässt sich nach dieser Formel eine Explosion der Staatsschuld nur verhindern, wenn die Summe der abgezinsten, um Zinszahlung bereinigten künftigen Haushaltsüberschüsse oberhalb der aktuellen Verschuldung liegt.

Das klingt komplizierter, als es ist: Ein verschuldeter Staat segelt definitiv in die Pleite, wenn dessen Volkswirtschaft auf Dauer mit einer geringeren Rate wächst als der Zins, und die Lücke nicht durch Sparen geschlossen wird. Oder noch einfacher: Die gegenwärtige Schuld muss zumindest theoretisch irgendwann einmal zurückgezahlt werden. Da unterscheiden sich Staaten nicht von normalen Haushalten oder Unternehmen.

So klar die Regel ist, Politiker und Herrscher aller Jahrhunderte und aller Lager haben dagegen zuhauf verstoßen. Weil sie teure Kriege führten, Prestigeobjekte verfolgten oder Wohltaten an das Volk verteilten, lagen vielfach die Ausgaben über den Einnahmen. Und folgerichtig steuerten die Staaten in die Pleite. Aus ökonomischer Sicht gibt es nur drei Gründe, warum Schulden für die öffentliche Hand gerechtfertigt sein könnten.

So stiften große Infrastrukturprojekte wie Straßen, Brücken oder die Urbarmachung von Land über mehrere Generationen einen Nutzen. Es wäre deshalb unfair, nur die erste Generation zu belasten. Auch nach einem Krieg oder einer Katastrophe sollte nicht nur die Aufbau-Generation die Kosten tragen. Schließlich kann es sinnvoll sein, konjunkturelle Schwächen über einen längeren Zyklus als nur ein Jahr auszugleichen.

Doch an diese Kriterien haben sich Politiker und Herrscher nur selten gehalten. Ende 2011 standen die Staaten der Erde mit 51,5 Billionen Euro in der Kreide. Das sind 80 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts, also aller Güter und Dienstleistungen, die weltweit produziert werden. In der Euro-Krise ist zutage getreten, wie gefährlich diese Art von Schuldenmacherei ist — egal ob von Staaten wie Griechenland und Italien oder einem maroden Bankensystem wie in Spanien, Portugal oder Irland.

Ungebremste Schulden führen in die Pleite

Die unbesorgte Aufnahme von Krediten hat diese Länder an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht oder — wie im Falle Griechenlands — praktisch zur Pleite geführt. Aber auch in Frankreich, den Niederlanden und selbst Deutschland, wo angeblich mehr auf finanzpolitische Solidität geachtet wird, ist diese Entwicklung nicht ausgeschlossen.

In der Bundesrepublik war der Haushalt zum letzten Mal im Jahr 1969 ausgeglichen, im Land Nordrhein-Westfalen 1973. Seit dieser Zeit haben Regierungen, egal ob christ- oder sozialdemokratisch, die Finanzen nie mehr nachhaltig in Ordnung gebracht. Eine direkte Pleite scheint zwar auch nach über 40 Jahren Schuldenmacherei derzeit nicht möglich. Sie wird aber auch in Deutschland kommen, wenn die Schuldenbremse nicht eingehalten wird. Das ergibt zwingend die Schicksalsformel.

Weil aber Wachstum immer weniger in der Lage ist, die Schulden wieder zu eliminieren, hilft nur eisernes Sparen — zu allen Zeiten. Die Folgen der ungehemmten Schuldenmacherei für die Bevölkerung sind in Griechenland zu sehen. Älteren reicht die Rente nicht zum Leben, Kinder sind unterernährt, Familien stehen vor der Auflösung.

Auch Deutschland war oftmals pleite

Doch die Deutschen sollten sich nicht allzu sehr über die Griechen erheben. Seit 1800 konnten das Reich oder die Teilstaaten acht Mal die ausstehenden Auslandsschulden nicht bedienen. Zwei Mal ruinierte die Inflation das Land, zuletzt ausgelöst durch die ungehemmten Rüstungsausgaben der Nationalsozialisten. Die Schuldenmacher — im Bund wie in den Ländern — sind dennoch nicht ausgestorben. In den vergangenen 20 Jahren versprachen drei Finanzminister — Theo Waigel (CSU), Hans Eichel (SPD) und Peer Steinbrück (SPD) — einen ausgeglichenen Haushalt. Bei allen dreien kam es anders.

Wolfgang Schäuble (CDU), der sich auch den ausgeglichenen Haushalt als Lebensziel setzte, wird nach Lage der Dinge nur erfolgreich sein, wenn das Wachstum den Zinssatz überschreitet. In dieser glücklichen Lage befindet er sich gerade. Aber man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese paradiesischen Zustände nicht allzu lang anhalten werden. Die nächste Schuldenkrise ist damit programmiert.

(RP/felt/sap)
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