Christina Rau "Die Jugend unserer Länder muss sich begegnen"

Die Witwe von Johannes Rau reist seit 40 Jahren nach Israel. Ihr Fazit: Berührungsängste zwischen den Kulturen gibt es heute nicht.

Israel Christina Rau und ihr vor acht Jahren verstorbener Mann, der frühere Bundespräsident Johannes Rau (SPD), pflegten wie kaum ein anderes Politikerpaar den Austausch mit Israel. Bis heute ist das Interesse der 57-Jährigen an dem Land ungebrochen. Sie begleitete NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu einem viertägigen Besuch in die Palästinensergebiete. Bei Gesprächen mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres informierten sie sich über den Stand der Friedensbemühungen.

Sie engagieren sich seit vielen Jahren für die deutsch-israelischen Beziehungen. Woher kommt dieses Engagement?

Christina Rau Meine erste Reise in den 70er Jahren galt dem Tiefseetauchen. Danach folgten ungezählte Reisen mit meinem Mann, private und dienstliche. Er war ein großer Freund Israels und des jüdischen Volkes und hat viel dafür getan, dass Vertrauen entstand zu einem neuen Deutschland. Besonders bei Begegnungsprojekten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen möchte ich gerne mittun.

Es gibt kaum noch Holocaust-Überlebende, die als Zeitzeugen mahnen können. Wie lässt sich das Gedenken gerade für die junge Generation wachhalten?

Rau Diese Woche hat Ministerpräsidentin Kraft ein Abkommen mit der Internationalen Bildungsstelle Yad Vashem unterschrieben. Darin geht es besonders um Lehrerbildung und Schülerprojektwochen. Die Jugend unserer Länder muss sich begegnen und voneinander und miteinander lernen. Dazu tragen viele bei, auch zum Beispiel das Deutsch-Israelische Zukunftsforum, in dessen Kuratorium ich Mitglied bin.

Glauben Sie persönlich an einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten?

Rau Schon mein Großvater Gustav Heinemann hat gesagt: "Der Friede ist der Ernstfall, in dem wir uns alle zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr." Wir dürfen die Hoffnung nie aufgeben, dass dauerhafter Frieden möglich ist. Wir waren in Givat Haviva, einer Einrichtung, die mit ihren Programmen an einer gleichberechtigten Teilhabe aller an der Gesellschaft arbeitet. In Kfar Kara, einer arabischen Stadt, zu hören, dass es hier eine Schule gibt, in der 50 Prozent jüdische Israelis sind, macht Mut.

Dennoch wird Israel für die Siedlungspolitik scharf kritisiert, auch aus Deutschland. Verspielt die amtierende israelische Regierung damit auch ihre historische Chance auf Frieden?

Rau Es ist immer bedrückend und auch frustrierend, wenn Friedensverhandlungen scheitern. Die Siedlungspolitik ist zu hinterfragen, aber wenn man behauptet, dass die Siedlungspolitik der einzige entscheidende Faktor ist, dann betrachtet man diesen Konflikt zu eindimensional.

Immer mehr junge Israelis leben und arbeiten in Deutschland. Schafft die junge Generation eine Normalität zwischen den Nationen, die ihre Eltern und Großeltern nie erreichen konnten?

Rau Wenn Normalität bedeutet, dass die Vergangenheit vergessen werden soll, sollte sie gar nicht angestrebt werden. Aber unsere global vernetzte Jugend hat viele gemeinsame Interessen und begegnet sich deshalb heute ohne Berührungsängste. Ich höre das ja immer von meiner Tochter, die seit Jahren in Israel lebt. Es freut mich, dass Deutschland und besonders Berlin als spannende Orte empfunden werden. Und dass auch die deutsche Jugend gerne nach Israel fährt. Das Visa-Abkommen zwischen unseren Regierungen zeigt ja, dass Bedarf besteht.

(RP)
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