Gabriel zu Besuch in Kiew Ukrainer blicken misstrauisch nach Berlin

Kiew · Die große Koalition wird von vielen kritisch beäugt. Vizekanzler Gabriel lobt die Übergangsregierung in Kiew.

Reisediplomatie in Sachen Krim-Krise: Erst traf Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Moskau Kremlchef Wladimir Putin, gestern war der Vizekanzler dann in Kiew unterwegs. Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk lobte er die Übergangsregierung: "Ich glaube, dass sie das sehr klug machen", sagte er — und schlug vor, das Land könnte Strom nach Europa exportieren. Gabriel besuchte auch den Maidan, den zentralen Schauplatz der jüngsten blutigen Zusammenstöße mit zahlreichen Todesopfern.

Dem SPD-Politiker ging es darum, das Vertrauen der Ukrainer in die Politik der Bundesregierung zu stärken. "Grundsätzlich ist das Verhältnis der Ukrainer zu Deutschland enorm positiv, was viele Deutsche angesichts der Geschichte oft erstaunt", sagt Miriam Kosmehl, Leiterin des Kiewer Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung. Ähnlich wie in Russland werde man in der Ukraine als Deutscher so gut wie nie für die Gräueltaten der Nazi-Zeit verantwortlich gemacht. Deutschland ist nach Polen das zweitbeliebteste Land für ein Auslandsstudium: Knapp 10 000 ukrainische Studenten lernen an deutschen Unis.

In der aktuellen Politik aber blicken viele Ukrainer misstrauisch nach Berlin. "Es gibt immer die Sorge, dass die deutsche Russlandpolitik auf Kosten der Ukraine gehen könnte, besonders wegen der Interessen der deutschen Wirtschaft", so Kosmehl. Als in Berlin die große Koalition die Regierung übernahm, sei dieses Misstrauen der Ukrainer zunächst noch gestiegen, sagt Mykhaylo Banakh, Projektmanager der Kiewer Gespräche für die International Renaissance Foundation. Der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier gelte als Verfechter eines weicheren Umgangs mit Russland. "Die entschiedenen Schritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Steinmeier haben aber gezeigt, dass es mit der Leisetreterei ein Ende hat."

In den Augen vieler Ukrainer habe sich Steinmeier Achtung dadurch erworben, dass er mit seinem polnischen Amtskollegen Radek Sikorski und dem französischen Außenminister Laurent Fabius am 20. Februar nach Kiew gereist ist. Damals waren Sicherheitskräfte unter Anweisung des amtierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch dabei, die Massendemonstrationen auf dem Maidan aufzulösen. "Es kam dann nicht zur vollständigen Einnahme, und das lag auch an der Verhandlungsmission der drei Außenminister", so Banakh.

(RP)
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