Urnengang in Nordkorea Wenig Spannung vor Kims Wahlen

Am Sonntag wählen die Bewohner Nordkoreas ein Parlament. Der Urnengang gleicht freilich einer Farce, mit Überraschungen ist nicht zu rechnen. Die Auswahl der Kandidaten hat in weiser Voraussicht die Kommunistische Partei übernommen.

Urnengang in Nordkorea: Wenig Spannung vor Kims Wahlen
Foto: dpa, uw dbo

Wenn die Nordkoreaner am (morgigen) Sonntag zu den Urnen gerufen werden, haben sie nicht etwa die Wahl zwischen mehreren Kandidaten für das Parlament, sondern sie können nur mit "Ja" oder "Nein" stimmen. Die Auswahl der Kandidaten für die jeweiligen Wahlkreise übernahm bereits die kommunistische Partei. Rund 700 Abgeordnete stehen zur "Wahl", unter ihnen auch Staatschef Kim Jong Un. Die Spannung hält sich aber in Grenzen: Üblicherweise stimmen fast alle Wähler mit "Ja" - aus Furcht vor Repressalien.

Trotzdem hat die Wahl dieses Mal eine ganz besondere Brisanz: Es ist die erste Parlamentswahl seit dem Tod des "geliebten Führers" Kim Jong Il und der Machtergreifung seines Sohns Kim Jong Un vor drei Jahren. Der neue Staatslenker hatte vor drei Monaten mit einer verstörenden Säuberungsaktion seinen Onkel, Jang Song Thaek, nicht nur aus der Führungsriege Nordkoreas entfernt, sondern auch gleich hinrichten lassen.

Weil es sich in Nordkorea gehört, dass man zu den Wahlen erscheint, ist die Wahl zur "Obersten Volksversammlung" so etwas wie eine Volkszählung, bei der gleichzeitig austariert werden kann, wie loyal das Volk gegenüber der Führung des Landes ist. Außerdem wird den Wählern ein Hauch von Demokratie vermittelt, denn auch wenn eine 99-prozentige Zustimmung zum Wahlvorschlag erwartet wird, ist es nicht verboten, dagegen zu stimmen. Überall im Land drängen bunte Plakate die Wähler zum Urnengang.

Allerdings ist die "Oberste Volksversammlung" ein stumpfes Schwert in der Tagespolitik. Formal ist es zwar das höchste Gremium in der nordkoreanischen Politik. Es ist vom Volk gewählt und gilt daher als Rechtfertigung für den offiziellen Namen des Landes: "Demokratische Volksrepublik Korea". Allerdings kommt das Parlament üblicherweise nur einmal im Jahr für ein paar Tage zusammen und bestätigt die Beschlüsse der regierenden Partei des Staatslenkers Kim Jong Un.

Um dem Parlament einen demokratischen Anstrich zu geben, sitzen sogar ein paar Vertreter darin, die nicht Kims Partei angehören. Der russische Koreafachmann Andrei Lankow von der südkoreanischen Kookmin-Universität in Seoul sagt: "Nach meinem Wissen hat noch niemals ein Mitglied der Obersten Volksversammlung gegen eine Gesetzesinitiative der Regierung gestimmt". Parlamentarische Opposition gibt es nicht in Nordkorea. Die Volksvertretung genehmige, ohne zu prüfen, sagt der Asienexperte.

Dennoch sind die Wahlen wichtig für die Führung. Denn sie prüft dabei, wie sehr das Volk noch hinter ihr steht. Die Wahl gilt als "bestmögliche Einschätzung der Bevölkerung", wie es der Nordkoreaexperte Michael Madden beschreibt: "Nordkorea ist sehr gut darin, Großereignisse zu inszenieren und die Leute dazu zu mobilisieren." Die Wahl sei ein "feierliches Event mit zahlreichen Veranstaltungen rundherum. Nach dem, was Auswanderer erzählen, ist es sehr schwer für einen Wahlberechtigten, eine Ausrede zu finden, die eine Nichtteilnahme rechtfertigt".

Wer auf der Wählerliste stehe und nicht wählen gehe, gerate sofort in den Fokus der Polizei, sagte Madden. Schließlich sei es möglich, dass sich der Betreffende über die Nordgrenze nach China gestohlen haben könnte, oder ohne Genehmigung in Nordkorea herumreise oder gar als Angehöriger der Streitkräfte fahnenflüchtig geworden sein könnte.
Die Wahl sei also eine Kontrolle des Volks.

Oppositionsgruppen in der Diaspora gehen sogar noch weiter und sagen, de facto werde man in Nordkorea gezwungen, an den Wahlen teilzunehmen. Seo Jae Pyoung floh 2000 aus Nordkorea und lebt jetzt im südlichen Teil der koreanischen Halbinsel. Er nahm dreimal an Parlamentswahlen in seiner ursprünglichen Heimat teil und sagt, es sei "unvorstellbar", nicht an die Urne zu gehen. "Wir bekamen vermittelt, dass, wenn wir nicht zur Wahl gehen, wir als Reaktionäre eingestuft werden würden und in Straflager verschwinden würden", sagt er.

Eine geheime Wahl fände auch nicht statt, sagt Seo. "Wir sind so kurz nacheinander in die Wahlkabine geführt worden, dass jeder sehen konnte, was der Vorgänger angekreuzt hat", sagt er. Dass unter diesen Umständen nahezu jeder den Wahlvorschlag mit "Ja" abgesegnet habe, sei klar.

Für Beobachter ist interessant, ob Kim nach der Wahl weitere Personalwechsel im hoffnungslos überalterten Machtapparat vornehmen wird - etwa eine Veränderung der Balance zwischen Militärangehörigen und Zivilisten. Lankow, Professor an der Seouler Uni, sagt, schon an der Nominierungsliste könne man eine Menge ablesen: "Wenn ein Kandidat nicht wieder nominiert worden ist, dann ist er vermutlich bei der Führung in Ungnade gefallen", sagt er. Auch aus der Besetzung neuer Kandidaten könne man einiges ablesen.

Aber dennoch sei die "Oberste Volksversammlung" alles andere als ein demokratisch legitimiertes Parlament: Sie sei "ein reines Absegnungsorgan", sagt Lankow.

(ap)
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