Krisengipfel bei der Kanzlerin Unternehmer bieten Verzicht auf Kündigungen an

Berlin (RPO). Der große Krisengipfel bei der Bundesregierung ist nach siebenstündigen Beratungen ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Über weitere Konjunkturhilfen soll erst Ende Januar entschieden werden, gab Bundeswirtschaftsminister Michael Glos am späten Abend bekannt. Vertreter der Wirtschaft stellten einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen in Aussicht.

Abends gegen elf traten der Wirtschaftsminister und sein Kabinettskollege Peer Steinbrück (Finanzen) vor die Presse. Das, was sie bekanntgeben, entspricht den Erwartungen: Bei dem Treffen von Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin seien keine konkreten Vereinbarungen getroffen worden, sagte Glos. Die Regierung wolle ihre Hausaufgaben machen und "Ende Januar entscheiden, was zusätzlich zu tun ist." Im Koalitionsausschuss am 5. Januar sollten noch keine Beschlüsse gefasst werden. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) sagte, Ziel sei es, betriebsbedingte Kündigungen zu verhindern. Möglich seien weitere Investitionen in die Infrastruktur.

Der Gipfel war ohnehin nur dazu gedacht, Meinungen auszutauschen und vor allem Handlungsbereitschaft im Kampf gegen die Krise zu demonstrieren. Auch zwischen Angela Merkel und Vizekanzler Fran-Walter Steinmeier, die im September gegeneinander Wahlkampf betreiben werden, passte kein Blatt. Die Formulierungen waren nahezu deckungsgleich.

Vorschlag der Dax-Konzerne

Unter dem Strich wurden jedoch mehrere Aspekte deutlich: Ja, es wird ein zweites Konjunkturpaket geben. So viel scheint bereits sicher. Die Regierung will offensichtlich warten, bis sie weiß, wohin die USA rudern. Barack Obama wird dort am 20. Januar sein Amt antreten. Dann fallen weitere Entscheidungen. Wie diese aussehen werden, bleibt offen. Investitionsprogramme werden voraussichtlich eine größere Rolle spielen. Die Regierung will bei Ländern und Kommunen dafür eintreten, dass baureife Projekte in die Infrastruktur vorzeitig realisiert werden.

Steinbrück gab bei der Stellungnahme am späten Abend noch ein Angebot aus den Reihen der Wirtschaft bekannt: Die Unternehmen schlugen in der Runde einen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vor. Im Gegenzug wollen sie auf staatliche Hilfen wie Kurzarbeitergeld und Qualifizierungsmaßnahmen zurückgreifen. Nach Informationen von Spiegel Online stammt der Vorschlag aus den Reihen der Dax-Konzerne.

Bundeskanzlerin Merkel setzte auf dem Konjunkturgipfel zwei Arbeitsgruppen ein. Eine solle weitere arbeitsmarktpolitische Instrumente prüfen. Die Unternehmen hätten es begrüßt, dass etwa das Kurzarbeitergeld verlängert werde. Diese und andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollten helfen, Entlassungen zu vermeiden. Eine weitere Arbeitsgruppe solle sich mit dem Finanzmarkt befassen und etwa Wege aufzeigen, eine Kreditklemme für die Unternehmen zu verhindern, erläuterte Steinbrück.

Schaden abwenden

Ein wesentliches Element eines weiteren Konjunkturpaketes dürfte die Zusage sein, öffentliche Investitionen zu verstärken. Dies kündigte Merkel vor Beginn des fast achtstündigen Gesprächs mit Vertretern der Wirtschaft und der Banken, der Verbände, Gewerkschaften und Wissenschaftler an. Im Vorfeld hatten Vertreter der Wirtschaft und der Wissenschaft öffentliche Investitionen als schnell wirksame Wachstumsimpulse empfohlen. Mit den Bundesländern will Merkel am Donnerstag auf der Ministerpräsidentenkonferenz darüber sprechen, dass baureife Projekte etwa im Straßenbau, im kommunalen Bereich und in Bildungseinrichtungen sowie die Breitbandverkabelung so weit wie möglich vorgezogen werden.

Steinbrück erklärte, weitere Maßnahmen sollten "zielgenau" und trefferwirksam" sein. Die Runde im Kanzleramt sei sich ihrer Verantwortung dafür bewusst gewesen, gemeinsam "soweit wie möglich Schaden von der Bundesrepublik abzuwenden". Merkel hatte zu Beginn an die gemeinsame Verantwortung aller bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise appelliert. Die Regierung könne die Konjunktur nicht alleine stützen, sagte sie.

Das Gespräch über die weltweite Finanzkrise hatte auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stattgefunden. Unmittelbar vor dem Treffen rief Merkel die Teilnehmer zur gemeinsamen Verantwortung auf, da die Krise nicht allein von der Regierung bewältigt werden könne. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, Sinn des Treffens sei es auch, über Aktivitäten auf kommunaler Ebene nachzudenken.

Viel Vorschläge, viel Kritik

Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider kritisierte den Konjunkturgipfel als "Showveranstaltung". "Die Kanzlerin setzt Termine, die wenig Sinn machen nur um damit Aktionen vorzutäuschen", sagte Schneider der "Thüringer Allgemeinen" (Montagsausgabe). "Ich habe zu viele Gipfel in den letzten Monaten erlebt, bei denen nichts herausgekommen ist. Bildungsgipfel, Integrationsgipfel, Autogipfel - das ist mir zu viel Symbolik und zu wenig Substanz."

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich für eine schnelle Senkung der Sozialversicherungsbeiträge aus. "Vorrangig sind niedrigere Sozialabgaben, weil dadurch alle Arbeitnehmer entlastet werden", sagte der BDA-Präsident unserer Redaktion auf die Frage, was er bei der Kanzlerin gesagt habe. "Erstens muss der Rentenbeitrag um 0,3 Punkte auf 19,6 Prozent gesenkt werden", erklärte Hundt. Zweitens müsse die Regierung darauf verzichten, jedes Jahr fünf Milliarden Euro für Sozialleistungen aus der Arbeitslosenkasse abzuzapfen, die aus Steuern zu bezahlen sind. Damit könne der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf unter 2,5 Prozent gesenkt werden.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sprach sich für ein zweites Konjunkturpaket aus und forderte die Koppelung an eine Schuldenbremse. "Ich bin dafür, dass Schulden, die zur Bewältigung der Krise aufgenommen werden, direkt mit konkreten Tilgungsvereinbarungen beschlossen werden", sagte Mißfelder unserer Redaktion.

(AFP)
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