Debatte über Regierungssitz Süssmuth sagt Umzug nach Berlin voraus

Stuttgart (RPO). Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) gibt sich sicher: Schon bald werden ihrer Auffassung nach auch die in Bonn verbliebenen Ministerien nach Berlin ziehen. Sie ist nur jüngste Stimmer einer ganzen Reihe von Politikern, die zuletzt die Trommel für Berlin geschlagen haben.

 Historischer Moment: Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth erhält am 20. Juni 1991 das Ergebnis der knappen Abstmmung.

Historischer Moment: Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth erhält am 20. Juni 1991 das Ergebnis der knappen Abstmmung.

Foto: dapd, dapd

"Es wird der Tag kommen, wo wir diese Aufteilung der Regierungsfunktionen überwinden werden und die Ministerien nach Berlin gehen", sagte Süssmuth der "Stuttgarter Zeitung" (Montagausgabe).

 Viele Berliner feierten die Entscheidung auf der Straße.

Viele Berliner feierten die Entscheidung auf der Straße.

Foto: dapd, dapd

"Bisher gilt, Verträge sind einzuhalten, und das vertrete ich auch heute", sagte sie. "Aber es gibt bei dieser Aufteilung des Regierungssitzes doch erhebliche Probleme, die wir weiterhin beraten müssen."

Süssmuth hatte 1991 die Diskussion und Abstimmung im Bundestag über den Umzug großer Teile der Bundesregierung von Bonn nach Berlin geleitet und sich dabei für den Verbleib der Regierung in Nordrhein-Westfalen ausgesprochen.

In der Debatte habe der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die entscheidende Rede gehalten, sagte sie jetzt. "Wir alle wussten, wenn unser Fraktionschef Schäuble das Wort ergreift, ist er in der Lage, die Stimmung zu drehen. Alle waren gespannt, und Schäubles Rede hat den Bundestag tatsächlich sehr bewegt. Man wusste, er ist für Berlin. Trotzdem war es entscheidend, wie er es in der Rede formuliert hat."

20 Jahre nach dem Bundestagsbeschluss für den Umzug von Parlament und Regierungsspitze nach Berlin sind in den vergangenen Tagen immer mehr Forderungen nach einem Komplettumzug der Regierung in die Hauptstadt laut geworden. "Ich halte es für richtig, alle Ministerien in Berlin zusammenzuführen" sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) der Zeitung "Die Welt". "Das spart Geld und Aufwand und sollte bis zum 25-jährigen Jubiläum der Deutschen Einheit machbar sein", plädierte Sellering für einen Komplettumzug innerhalb der kommenden vier Jahre. Der mit dem Bonn-Berlin-Gesetz 1991 beschlossene Kompromiss sei "damals sicher hilfreich" gewesen, aber heute nicht mehr zeitgemäß".

Ähnlich äußerte sich der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. "Wenn alle Ministerien von Bonn nach Berlin ziehen, wäre ein effizienteres Regierungshandeln möglich", sagte Stegner ebenfalls der "Welt": "Wir sollten daher die Aufteilung der Hauptstadtfunktionen überdenken. Anders als vor 20 Jahren vermutet, muss Bonn nicht leiden. Berlin wiederum hat sich als Regierungssitz bewährt. Alle Ministerien sollten in Berlin ihren Standort haben."

Auch führende CDU-Politiker plädierten für einen schrittweisen Komplettumzug der Bundesregierung nach Berlin. "Die Ministerien sollten mit der Zeit vollständig nach Berlin ziehen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), unserer Redaktion. Im Gegenzug könnten nicht ministerielle Bereiche, etwa nachgeordnete Verwaltungsbehörden, am Rhein bleiben.

"Die Entscheidung, das Justizministerium in Berlin zu konzentrieren und dafür das Bundesamt für Justiz in Bonn, hat mir sehr gut gefallen. Ähnliche Lösungen kann ich mir auch für andere Ministerien vorstellen", sagte auch der Fraktionsvize der CDU/CSU, Günter Krings. Schnellschüsse und pauschale Lösungen dürfe es aber nicht geben. Wenn jedoch "ein Beamter drei Mal in der Woche nach Berlin fliegt, spricht vieles dafür, dass sein Schreibtisch besser in Berlin stünde".

Der Teilumzug der Regierung nach Berlin war vom Bundestag am 20. Juni 1991 beschlossen worden. Die Kosten für diese Aufteilung belaufen sich nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums im laufenden Jahr auf voraussichtlich knapp 9,2 Millionen Euro; mehr als die Hälfte davon machen Dienstreisen der Beamten aus.

(apd/pst)
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