Wieder ein Anschlag der Taliban Minister Niebel rast durch Kabul

Kabul (RP). Die Motoren der gepanzerten Fahrzeuge heulen auf, die Tachonadel springt zwischen 60 und 90 Stundenkilometern hin und her – in halsbrecherischer Fahrt rast die Kolonne von Entwicklungsminister Dirk Niebel durch die afghanische Hauptstadt. Kurz zuvor ist bekannt geworden, dass die Taliban die Deutschen erneut zum Ziel eines blutigen Selbstmordanschlags gemacht haben.

Dirk Niebel - ein Fallschirmjäger als Entwicklungshelfer
13 Bilder

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Kabul (RP). Die Motoren der gepanzerten Fahrzeuge heulen auf, die Tachonadel springt zwischen 60 und 90 Stundenkilometern hin und her — in halsbrecherischer Fahrt rast die Kolonne von Entwicklungsminister Dirk Niebel durch die afghanische Hauptstadt. Kurz zuvor ist bekannt geworden, dass die Taliban die Deutschen erneut zum Ziel eines blutigen Selbstmordanschlags gemacht haben.

Im nordafghanischen Kunduz töten sie bei einem Sprengstoffanschlag auf eine deutsche Wagenkolonne mindestens drei Zivilisten. Zwei Bundeswehrsoldaten werden leicht verletzt. Nur drei Wochen nach dem Anschlag auf den deutschen Isaf-Chef General Markus Kneip in Talokan haben es die islamistischen Terroristen wieder auf einen führenden Offizier der Deutschen in Afghanistan abgesehen: Mit dem Konvoi wollte Kunduz-Kommandeur Oberst Norbert Sabrautzki zu einem regionalen Sicherheitstreffen.

Bereits am Vortag haben die Taliban unweit des Hotels, in dem Niebel mit seiner Delegation wohnt, eine Polizeistation gestürmt und neun Menschen getötet. Weitere Anschläge mit weiteren neun Toten werden aus den Provinzen Herat und Ghasni gemeldet.

Immer die Umgebung im Blick

Deshalb rasen die Sicherheitsspezialisten mit Niebel in geschützten Fahrzeugen und Schutzwesten mit hohem Tempo durch Kabul, um die Zeit, die Terroristen für Anschläge nutzen könnten, auf ein Minimum zu reduzieren. Afghanische und deutsche Polizisten haben bei jedem Zwischenstopp schussbereit die gesamte Umgebung im Blick.

Niebel zieht unerschrocken das vor Wochen verabredete Besuchsprogramm durch. Und so gehört das Entwicklungsprojekt Veterinärlabor genau so zu seinen Stationen wie eine neue Mädchenschule. 40 Prozent der afghanischen Mädchen könnten jetzt zur Schule gehen, das seien natürlich viel zu wenig, aber doch viel besser als die null Prozent vor zehn Jahren. Mit Frauen- und Menschenrechtsgruppen diskutiert er die aktuelle Lage genau so wie mit den Vertretern wichtiger Geber-Organisationen, mit dem afghanischen Finanzminister geht es um die festgefahrenen Weltbank-Gespräche und mit Präsident Hamid Karsai am Abend unter anderem um die Vorbereitung der Bonn-Konferenz im Dezember.

Selbst im Zurückrudern bleibt Karsai blumig

Natürlich will Niebel dann genauer wissen, wie Karsai das bei seiner schlagzeilenträchtigen Rede am Vortag gemeint hat mit den "Gesprächen mit den Taliban", die insbesondere "mit Hilfe der Amerikaner" geführt würden. Karsai winkt ab: Da sei etwas aus dem Zusammenhang gerissen worden. Außerdem räumt er ein, sich an der Stelle vielleicht etwas zu sehr in den landestypischen Metaphern ausgedrückt zu haben. Das sei dann möglicherweise falsch übersetzt worden. Tatsächlich gehe es nur darum, dass "Kontakte" auf verschiedenen Ebenen den "politischen Prozess unterstützen". Selbst im Zurückrudern bleibt Karsai blumig.

Jedenfalls steht Deutschland in dieser Frage Afghanistan zur Seite. Seit mehreren Monaten erkläre die Bundesregierung, dass sie einen "Versöhnungsprozess zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban" unterstütze, betont Berlins Botschafter in Kabul, Rüdiger König. Insofern sei Deutschland auch "zufrieden, dass dieser Prozess jetzt in Gang kommt". Freilich betont der deutsche Diplomat auch, dass es ein "afghanischer Prozess sein" müsse, in dem die Amerikaner sicherlich eine Rolle zu spielen hätten.

"Kommandeure noch besser schützen"

Weiterhin wollen weder Niebel noch König bestätigen, wie sehr Deutschland in diesem "Prozess" involviert ist. Nach Medienberichten aus Washington sollen sich Amerikaner und gemäßigte Taliban bereits seit Monaten treffen — unter anderem auch auf deutschem Boden. Das könnte erklären, warum die Anschläge in letzter Zeit zugenommen haben und warum insbesondere Deutsche vermehrt zur Zielscheibe derjenigen geworden sind, die nicht auf Versöhnung setzen.

Es könnte aber auch mit einer gewandelten Nato-Strategie zusammen hängen. Es gebe eine "innere Logik" in dem Vorgehen, erläutert Niebel. So wie die Isaf-Truppen dazu übergegangen seien, vermehrt die Führung der Taliban auszuschalten, machten sich nun auch die Taliban diese Strategie zu eigen. Die Konsequenz für Niebel: "Das heißt, dass wir unsere Kommandeure noch besser schützen müssen."

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