Vor Referendum zur Verfassungsreform Streit um geplanten Erdogan-Auftritt in NRW

Berlin/Düsseldorf · Soll der geplante Wahlkampfauftritt des türkischen Präsidenten Erdogan in Nordrhein-Westfalen verhindert werden? Bundes- und Landesregierung weisen sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Präsident Erdogan vor seinen Anhängern in Gaziantep. (Archivbild vom 20. Februar)

Präsident Erdogan vor seinen Anhängern in Gaziantep. (Archivbild vom 20. Februar)

Foto: ap, BO

Zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund ist ein Streit über die Frage ausgebrochen, ob und wie ein öffentlicher Auftritt des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verhindert werden soll. Erdogan will in NRW für die von ihm geforderten Verfassungsreform werben, über die die Türken Mitte April bei einem Referendum abstimmen. Kritiker befürchten, dass Erdogan sein Land in eine Autokratie umbauen will. Am Samstag hatte schon Premierminister Binali Yildirim in Oberhausen für die Reform geworben.

"Die Freiheit der Meinungsäußerung hier darf nicht missbraucht werden, um für eine Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, mit der Grundrechte eingeschränkt und die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollen", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) unserer Redaktion. "Wir müssen verhindern, dass innertürkische Konflikte bei uns ausgetragen werden."

Während man sich dafür in Düsseldorf aber nicht zuständig fühlt, sieht der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings, die Verantwortung klar in NRW: "Es ist an Dreistigkeit schwer zu überbieten, wie der NRW-Innenminister erneut von eigener Verantwortung ablenken will und mit dem Finger auf andere zeigt", sagte Krings. Der CDU-Politiker nahm Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in Schutz. "Bei der erwarteten Erdogan-Rede in NRW solle es nach Jägers Meinung nun offenbar der Außenminister richten", kritisierte Krings. Er vergesse dabei, dass seit Jahren nicht der Bund, sondern die Länder für das Versammlungsgesetz und seine Anwendung zuständig seien.

Termin noch nicht bekannt

Nach Einschätzung mehrerer Experten, auf die sich die Landesregierung stützt, ist das Versammlungsrecht jedoch das falsche Instrument, um einen Auftritt Erdogans zu verhindern. "Damit kann man seinen Besuch rechtlich gesehen eigentlich nicht unterbinden, schon gar nicht, wenn er in einem geschlossenen Raum wie einer Arena auftritt", hieß es aus Regierungskreisen. Vielmehr sei die Bundesregierung gefragt. Sie müsse auf diplomatischem Weg versuchen, eine Lösung zu finden.

Bislang gibt es noch keinen konkreten Termin für einen besuch des türkischen Präsidenten. "Ich rechne damit, dass Erdogan zwischen dem 27. März und dem 9. April nach Deutschland kommt", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. In dieser Zeit könnten die im Ausland lebenden Türken ihre Stimme zum Referendum der Verfassungsänderung abgeben.

Die Debatte um einen möglichen Auftritt Erdogans nahm unterdessen an Schärfe zu. Er teile ausdrücklich die Sorge von Ralf Jäger über einen möglichen Auftritt Erdogans, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Erdogan sei willkommen, vorausgesetzt, er halte sich an die Gepflogenheiten des "partnerschaftlichen Umgangs in und mit einem demokratischen Rechtsstaat, ohne Wenn und Aber". Man dürfe nicht zulassen, "dass Erdogan in Deutschland für seine Allmachtsfantasien werben darf", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir.

Die Türkische Gemeinde wiederum blickt einer Wahlkampfveranstaltung mit Erdogan gelassen entgegen. "Ein Besuch Erdogans und ein öffentlicher Auftritt in Deutschland sollten nicht verboten werden", sagte Sofuoglu. Deutschland habe eine starke Demokratie, die Erdogan aushalten könne. Erdogan müsse aber akzeptieren, "dass er in Deutschland kritisiert wird und dass seine Kritiker keine Heimatverräter oder Terroristenschützer sind".

(qua / csh)
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