Spionage unter Freunden NSA überwacht Angela Merkel per "Fingerabdruck"

US-Präsident Barack Obama bemühte sich nach Kräften: Nein, Angel Merkel müsse sich wirklich keine Sorgen machen, ihr Telefon werde nicht abgehört. Schließlich sei Vertrauen und Freundschaft die Basis ihrer Beziehung. Nun zeigt sich: Auf das Handy der Kanzlerin sind die US-Geheimdienste gar nicht angewiesen.

 Angela Merkel wird nicht überwacht, versichert Obama. Die NSA ist dennoch bestens informiert.

Angela Merkel wird nicht überwacht, versichert Obama. Die NSA ist dennoch bestens informiert.

Foto: dpa, Michael Kappeler

Bei Obama klang es am Wochenende nach schöner heiler Welt. Im ZDF schwärmte er von den guten Beziehungen zur Kanzlerin und bewies abermals sein Talent als Charmeur. Auch in Washington ist angekommen, dass die Deutschen ernsthaft verärgert waren, als sich herausstellte wie skrupellos selbst Spitzenpolitiker von den US-Geheimdiensten über Jahre abgehört wurden.

Dass das Verhältnis auch auf längere Sicht noch angespannt bleiben wird, wurde erst am Sonntag wieder deutlich: So hält es Generalbundesanwalt Helmut Range durchaus für möglich Ermittlungen aufzunehmen, weil die deutsche Regierungschefin belauscht wurde.

Kontrolle bleibt erhalten

Die Kritik von deutscher Seite sei verständlich, erklärte Obama nun, aber "solange ich Präsident der Vereinigten Staaten bin, muss sich die deutsche Kanzlerin darüber keine Sorgen machen".
Wer die Politik kennt, weiß dass Politiker in ihren Worten gerne Spielräume für Interpretationen lassen. Obama ist ein Meister darin. Wenn er nun der Kanzlerin die Sorgen nehmen will, dann gilt das genau genommen auch nur für die Überwachung ihres eigenen Mobiltelefons.

Die Kontrolle wird dadurch jedoch nicht weniger engmaschig, wie sich nun zeigt. Grund: Die USA haben es offenbar längst nicht mehr nötig, sich bei Merkels Mobiltelefon aufzuschalten. Nach einem Bericht der Bild reicht den US-Datensammlern dafür ein so genannter "Fingerabdruck" von Merkels Kommunikation und den haben sie in den vergangenen Jahren längst erstellt.

Stets bestens informiert

Der Bericht bezieht sich dabei auf die Aussagen mehrerer Mitarbeiter der US-Geheimdienste. Was sie erzählen, lässt den Umfang der Spionageaktivitäten erahnen. So wurde demnach systematisch ein Muster von Merkels Kommunikation erstellt. Bei welchen Themen telefonierte und mailte sie mit welchen Vertrauten, wann, wie oft, wie lange.

"Dann schaut man sich an, mit wem diese Nummern und Adressen wiederum kommunizieren. So entstehen Kommunikationsmuster, auf die wir jederzeit zurückgreifen können", zitiert Bild einen Mitarbeiter. Die Datensätze seien mittlerweile so präzise, "dass wir bei jeder wichtigen Entscheidung der Regierung wissen, welche Mitarbeiter beteiligt sind." So sei es etwa vor internationalen Konferenzen möglich, die Kommunikation alle entscheidenden Mitglieder einer Delegation zu überwachen.

Oppermann droht USA

Vor dem Hintergrund dieser Worte klingt es nun ganz anders, wenn Obama sagt, die Geheimdienste würden auch weiterhin Informationen über die Absichten von Regierungen sammeln. Ausgestanden ist die NSA-Affäre somit wohl noch lange nicht. Zumal der Ärger in Berlin noch längst nicht verebbt ist.

So besteht die SPD trotz negativer Signale aus Washington auf einem No-Spy-Abkommen mit den USA. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann forderte in der "Bild"-Zeitung: "Das Anti-Spionage-Abkommen muss kommen." Auch Drohungen scheut der SPD-Politiker nicht : "Die USA wissen: Spionage ist bei uns eine Straftat. Die deutsche Justiz wird nicht tatenlos zusehen, wenn das Treiben der NSA hier munter weitergeht!"

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im deutschen Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), kritisiert die jüngsten Äußerungen Obamas in der Ausspähaffäre. "Ich habe eine Kritik: Dürfen Geheimdienste alles, was sie technisch können? Diese Frage hat Obama im Grunde bejaht", sagte Röttgen in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Gleichwohl halte er nichts von Drohgebärden gegenüber den USA wie die Aufkündigung von Abkommen: "Wir haben ein reales Problem, aber ich bin gegen eine Eskalation", sagte Röttgen.

(RPO/dpa)
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