Obama-Rede mit Spannung erwartet Ausspähaffäre: Berlin erhöht Druck auf Washington

Berlin · Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Rede von US-Präsident Barack Obama über die künftige Arbeit der US-Geheimdienste hat Deutschland den Druck auf die USA massiv verstärkt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die NSA pro Tag fast 200 Millionen SMS abfängt.

So späht die NSA PCs ohne Internetzugang aus
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Foto: dpa, Jim Lo Scalzo

Unmittelbar vor der mit Spannung erwarteten Rede von US-Präsident Barack Obama über die künftige Arbeit der US-Geheimdienste hat Deutschland den Druck auf die USA massiv verstärkt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die NSA pro Tag fast 200 Millionen SMS abfängt.

Der künftige Koordinator der Bundesregierung für die transatlantischen Beziehungen, Philipp Mißfelder (CDU), drohte mit der Aufkündigung des SWIFT-Abkommens über den Austausch von Bankdaten, sollten die USA den geplanten Vertrag über gegenseitigen Spionageverzicht scheitern lassen.

Mißfelder verschärfte demonstrativ seine Kritik an den USA, indem er unmittelbar vor einem Gespräch mit US-Botschafter John B. Emerson vor die Presse trat, um einen neuen historischen Tiefpunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen festzustellen. Selbst beim tiefen Zerwürfnis über den Irakkrieg 2003 sei das Vertrauen in die USA nicht so gestört gewesen wie heute. Mißfelder sprach von einer "angeschlagenen Freundschaft" zwischen Deutschland und den USA.

Drei Kernpunkte müssten von den USA erfüllt werden, sagte er als außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Neben dem grundsätzlichen Verbot von Ausspähaktionen gehöre dazu der Verzicht auf gezieltes Ausspionieren von Politikern und Journalisten sowie klare Vereinbarungen über den Umgang mit der großen "Masse von Metadaten" über das Kommunikationsverhalten der Bürger. Dabei reichten allgemeine Formulierungen und Zusicherungen nicht mehr aus. Schließlich schreibe der Nato-Vertrag bereits fest, dass die Mitglieder sich gegenseitig nicht abhören. "Das kann nur funktionieren, wenn das amerikanische Wort wieder etwas gilt", betonte Mißfelder.

Der Unions-Außenpolitiker wandte sich zugleich dagegen, die Verhandlungen über ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen auf Eis zu legen. Damit würden sich die Amerikaner ins eigene Fleisch schneiden. Bedenken von Kritikern des No-Spy-Abkommens, die USA könnten gar nicht mit einem einzelnen Staat wie Deutschland Sonderrechte vereinbaren, weil dann alle anderen auch solche haben wollten, wies Mißfelder zurück: "Einer muss vorangehen."

Das angebliche Angebot Washingtons, Deutschland in den Kreis der so genannten "Five-Eye"-Staaten aufzunehmen, kommt für die Union nach Mißfelders Worten ebenfalls nicht in Frage. Ein Sonderstatus, wie der uneingeschränkte Austausch von Geheimdiensterkenntnissen und Verzicht auf gegenseitiges Abhören zwischen den fünf Ländern USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland, vertrage sich nicht mit dem Charakter der Europäischen Union. Er richtete deshalb kritische Fragen an die Adresse des EU-Nachbarlandes Großbritannien.

Das transatlantische Zerwürfnis wird beherrschendes Thema bei drei zentralen Treffen in den nächsten Wochen sein. Im Vorfeld der Münchner Sicherheitskonferenz wird US-Außenminister John Kerry auch in Berlin zu Gesprächen mit der Bundesregierung erwartet. Konferenz-Leiter Wolfgang Ischinger widmet Teile der Münchner Zusammenkunft der weltweit wichtigsten Sicherheitsexperten Ende des Monats der NSA-Affäre.

Er sagte unserer Redaktion, der US-Geheimdienst NSA sei mit seinen Abhörprogrammen "außer Rand und Band" geraten. Schließlich wird Bundeskanzlerin Angela Merkel innerhalb des ersten Vierteljahres von US-Präsident Obama in Washington erwartet. Sie wird ungern mit leeren Händen heimfahren wollen. Deshalb dürfte es kein Zufall gewesen sein, dass unmittelbar vor Obamas Rede führende Unionspolitiker die Erwartungen in Richtung Washington zuspitzten.

(-may)
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