Gesundheitsreform Opposition fordert Stopp des "Gemurkse"

Berlin (RP). Nach monatelangem Streit in der Koalition hat heute der Bundestag die Beratungen über die Gesundheitsreform aufgenommen. Die gesamte Opposition forderte, die Pläne zu stoppen. Zu befürchten seien mehr Kosten und eine schlechtere Krankenversorgung.

Bundesgedsundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) unterstrich ebenso wie der stellvertretende Unionsfraktionschef Wolfgang Zöller und andere Koalitionspolitiker die Vorteile des Gesetzes. Leistungen würden nicht gekürzt, sondern in Einzelfällen - wie bei der Hilfe für Sterbende - ausgeweitet, sagte Schmidt. Versicherte erhielten mehr Wahlmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Kassen und Tarifen.

Ärzte und Patienten würden zu wirtschaftlichem Handeln angehalten. Die Kosten und Nutzen von teuren Arzneien würden geprüft, damit die wirklich nützlichen auch künftig noch bezahlt werden könnten.

Den für 2009 geplanten Gesundheitsfonds lobte Schmidt als Fortschritt für eine gerechtere Verteilung des Geldes zwischen den Krankenkassen. Der umstrittene Zusatzbeitrag werde für sozial Schwache vom Staat übernommen. Alle anderen könnten ihn durch einen Kassenwechsel umgehen. Die heftige Kritik von Ärzten, Krankenkassen und privaten Krankenversichern wies die SPD-Politikerin zurück: "Die große Koalition beugt sich nicht dem Druck der Lobbys."

FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr warf der Ministerin vor, berechtigte Kritik abzutun. "Frau Schmidt, Sie verhalten sich wie eine Geisterfahrerin, die ihre Mitfahrer damit beruhigen will, dass all die Hunderte entgegenkommenden Autos die wahren Geisterfahrer seien", sagte der FDP-Politiker. Der geplante Gesundheitsfonds werde zur "Gesundheit nach Kassenlage" führen. Vorher würden die Beiträge auf Rekordniveau steigen. "Lieber keine Reform als eine solch' schlechte Reform", sagte Bahr.

Auch Grüne und Linke forderten einen Neuanfang. Linksfraktions-Chef Gregor Gysi nannte das Gesetz "Gemurkse". Die solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung werde ausgehöhlt. "Ihre Reform wird leider dazu führen, dass der Grundsatz 'Arm stirbt früher' zur Realität wird", betonte der PDS-Politiker. Stattdessen solle man gemeinsam eine "vernünftige Reform machen", nämlich eine Bürgerversicherung.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast äußerte starke Zweifel, dass der geplante Gesundheitsfonds jemals Realität wird. "Ich glaube nicht, dass dieses bürokratische Monster kommen wird." Auch ein Beschluss über wachsende Steuermittel nach 2010 werde der Koalition nicht gelingen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat in der "Rhein-Neckar-Zeitung" angekündigt, der Reformim Bundestagnicht zustimmen zu wollen. Zwar wollte Oettinger noch kein abschließendes Urteil über die Reform abgeben, da "noch nicht einmal ein fertiger Gesetzentwurf" vorliege. Zudem verwies er darauf, dass das Vorgehen vor der Entscheidung im Bundesrat auch mit dem Koalitionspartner FDP abgestimmt werden müsse. Die FDP lehnt die Gesundheitsreform allerdings ab. Auf die Frage "Dann müssen Sie ja nicht zustimmen", antwortete Oettinger: "Da haben Sie Recht".

Im Vorgriff auf die Reform beschloss der Bundestag bereits neue Regeln zur Entschuldung der Krankenkassen, die Voraussetzung für den Start des Fonds ist. Die Frist dafür wird - unter bestimmten Voraussetzungen - von Ende 2007 bis Ende 2008 gestreckt. Die Vorschriften waren im Schnellverfahren an das Gesetz gegen den Ärztemangel angehängt worden. Dieses lockert die Vorschriften für die Niederlassung von Medizinern. Ebenfalls in dem Paket enthalten sind Sanktionen gegen Praxisgebühr-Preller. Ihnen können künftig Mahngebühren von bis zu 150 Euro aufgebrummt werden.

(ap)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort