Reformpläne stoßen auf Ablehnung NRW-Innenminister gegen Verfassungsschutzzentrale

Düsseldorf · NRW Innenminister Ralf Jäger (SPD) will keine Verfassungsschutzkompetenzen an den Bund abgeben. Die Fehler, die bei den Ermittlungen um Neonazi-Zelle NSU passiert sind, seien das beste Beispiel, das Zentralismus nichts bringe. Am Dienstag wird auf einer Sonderkonferenz über die Reform beraten.

Das ist Hans-Peter Friedrich
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Viel wichtiger als "Kompetenzgerangel" sei eine Verpflichtung zum Informationsaustausch in einem Behördenverbund, sagte Jäger am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Düsseldorf. Dies sei bislang nicht geregelt. Das Thema stand in Berlin auf der Tagesordnung einer Sonderkonferenz der Innenminister.

Die schweren Ermittlungsversäumnisse rund um die mörderische Neonazi-Terrorzelle NSU seien das beste Beispiel, dass Zentralismus nichts bringe, sagte Jäger. Die Vorgänge seien damals nahezu komplett in der Zuständigkeit des Bundesamts für Verfassungsschutz gewesen, die Zusammenhänge aber nicht erkannt worden. "Eine Zentralisierung macht keinen Sinn, wenn Kenntnisse über regionale Phänomene fehlen." Der Bund will in Einzelfällen Kompetenzen der 16 Landesämter für Verfassungsschutz an sich ziehen.

"Bund ist viel zu weit weg"

Der Bund könne durchaus eine Zentralfunktion bei der Koordinierung und Auswertung von Informationen aus den Ländern übernehmen, schlug Jäger vor. "Er müsste strukturierte aktuelle Lageberichte zusammenfassen und in die Länder liefern."

Jäger unterstrich aber: "Die operative Arbeit muss in den Ländern bleiben, weil der Bund viel zu weit weg ist." Er habe in der vergangenen Woche drei aggressive Neonazi-Verbindungen verboten, weil er entsprechende Erkenntnisse der NRW-Behörden gehabt habe - darunter über eine sehr aktive Gruppierung in Dortmund. Ohne diese Ortskenntnisse würde die Kameradschaft "heute noch fröhlich weiterarbeiten", meinte Jäger.

Gemeinsame Standards für Bund und Länder

Er forderte darüber hinaus gemeinsame Standards für Bund und Länder für die Führung von Verbindungsleuten des Verfassungsschutzes. "Die Richtlinien in Nordrhein-Westfalen könnten eine Blaupause dafür sein", sagte Jäger. "Wir brauchen weiter menschliche Quellen für bestimmte Informationen. Diese Quellen dürfen aber weder in der Führungsspitze einer Organisation sitzen noch Straftäter sein."

Weitere wichtige Standards seien: keine wirtschaftliche Abhängigkeit durch zu hohe Honorare und rotierendes Personal bei der Führung der V-Leute. Die Missachtung solcher Standards waren bislang wesentliche Stolpersteine für ein NPD-Verbot.

Darüber hinaus seien die parlamentarischen Kontrollgremien im Bundestag und den Landtagen zu stärken, sagte Jäger. "Die Abgeordneten müssen personelle Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, die ihnen zuarbeiten."

Friedrichs Vorschlag stößt auf Ablehnung

Auch bei seinen Länderkollegen beißt der Bundesinnenminister mit seinen Reformplänen für den Verfassungsschutz auf Granit: Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) nannte den Vorschlag, dem Bundesverfassungsschutz mehr Kompetenzen in den Ländern einzuräumen, "verfassungswidrig".

Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) warnte im Deutschlandradio Kultur vor einer Beschneidung "originärer Länderkompetenzen". Im SWR2 nannte er Friedrichs Konzept teilweise "unausgegoren" und nicht zu Ende überlegt. Deutschland könne sich "keinen Verfassungsschutz erster und zweiter Klasse" leisten, monierte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz.

Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte, es sei falsch, dem Bund die Beobachtung von gewaltbereiten Extremisten zu übertragen, während die Verfassungsschutzämter der Länder für die NPD zuständig sind. Es bestehe noch großer Beratungsbedarf, sagte der Sprecher der Unions-geführten Länder dem Rundfunksender NDR Info.

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth warnte vor einer "Megabehörde, die im Trüben fischt und immer mehr Kompetenzen an sich zieht". Friedrich plane offensichtlich "eine Zentralisierung der Inkompetenz", wetterte sie. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verweigerte ihre Zustimmung zu den Plänen und verlangte "einen beherzten Umbau der Sicherheitsarchitektur".

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann beanstandete im dapd-Interview, Friedrich habe sich bei seinen Vorschlägen manches von der Opposition abgeschaut. Vieles müsse aber noch nachgebessert werden. Nötig sei "eine Reform mit echten, harten Konsequenzen, die die Realität des Verfassungsschutzes grundlegend verändert".

Bundesamt stärken

Am Montag war bekannt geworden, dass Friedrich bei der geplanten Neuausrichtung des Verfassungsschutzes vor allem das Bundesamt stärken will. Vor einem Treffen mit den Landesministern am Dienstag bemühte sich der Bundesminister jedoch bereits um Schadensbegrenzung: Die Länder sollten keine Kompetenzen abgeben, versicherte Friedrich.

Es solle lediglich darüber nachgedacht werden, ob der Bundesverfassungsschutz nicht öfter "koordinierend tätig sein" könnte. "Aber an der Zuständigkeit der Länder ändert sich überhaupt nichts", betonte er.

Hintergrund der geplanten Reform sind die Pannen des Verfassungsschutzes bei den Ermittlungen zur rechtsextremistischen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Die Terroristen zogen mehr als 13 Jahre unbehelligt von den Sicherheitsbehörden durch die Bundesrepublik und ermordeten zehn Menschen.

(lnw/dapd)
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