Konsequenzen gezogen Nebenjobs: SPD-Mann legt Bundestagsmandat nieder

Berlin/Hannover (rpo). Der auf der VW-Liste mit Nebeneinkünften geführte SPD-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen hat sein Bundestagsmandat niedergelegt. Dies teilte sein Wahlkreis in Aurich am Freitag mit. SPD-Chef Franz Müntefering sprihct sich trotz der Ausweitung der Affäre gegen ein Verbot von Nebenjobs für Abgeordnete des Bundestages aus. Der Siemens-Konzern gibt unterdessen an, dass zwölf hauptamtliche Politiker auf der Siemens-Gehaltsliste stehen.

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Foto: (alle) AP

Der ehemalige VW-Betriebsratsvorsitzende zog damit den Angaben zufolge "die Konsequenzen aus den unterschiedlichen Interpretationen hinsichtlich der VW-Liste von Abgeordneten". Janssen wolle seine Familie und die SPD nicht länger mit Spekulationen über seine Einkünfte belasten, hieß es weiter.

Der 59-jährige Janssen war langjähriger VW-Mitarbeiter und von 1982 bis 1996 Betriebsratsvorsitzender im Werk Emden. Nach eigenen Angaben hatte Janssen seit 1994 kein Gehalt des Konzerns mehr bekommen. Janssen war zehn Jahre Mitglied des Bundestages und zuletzt stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Tourismus.

Münefering gegen Verbot von Nebenjobs

SPD-Chef Franz Müntefering hat sich trotz einer Ausweitung der Affäre gegen ein Verbot von Nebenjobs für Abgeordnete des Bundestages ausgesprochen. Müntefering kündigte zum Abschluss der Fraktionsklausur in Leipzig am Freitag aber gemeinsame Beratungen aller Fraktionen darüber an, ob die Regelungen für Nebentätigkeiten verschärft werden sollten. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager warnte bei der Klausurtagung ihrer Partei in Wörlitz vor einem Schnellschuss.

Die SPD-Klausur wurde überschattet von der Veröffentlichung einer VW-Gehaltsliste, auf der sechs SPD-Abgeordnete standen. Als Konsequenz daraus legte der auf der Liste geführte SPD-Bundestagsabgeordnete Jann-Peter Janssen sein Mandat nieder.

Nebentätigkeiten müssten auch in Zukunft erlaubt sein, machte Müntefering deutlich. Klar sei, dass sich Parlamentarier als Vertreter bestimmter Interessen verstünden. Heimlicher Lobbyismus, egal ob bezahlt oder unbezahlt, müsse aber ausgeschlossen sein. Abgeordnete, die gegen die Regelungen über Nebentätigkeiten verstoßen, sollten deshalb zukünftig bestraft werden.

Zwölf hauptamtliche Politiker auf der Siemens-Gehaltsliste

Nach Angaben von Siemens üben mehr als 400 Mitarbeiter des Konzerns politische Mandate aus, davon zwölf als hauptamtliche Politiker. Wie Siemens-Chef Heinrich von Pierer der Tageszeitung "Die Welt" sagte, sitzt einer davon im Bundestag, vier in Landtagen, und sieben arbeiten als Bürgermeister. Politischer Einfluss zugunsten des Unternehmens werde von ihnen nicht ausgeübt und auch nicht erwartet, versicherte der Spitzenmanager, der die Diskussion um Zahlungen von Unternehmen an Politiker für "völlig überzogen" hält.

"Wir wollen doch, dass mehr wirtschaftlicher Sachverstand in die Politik kommt", fügte er hinzu und betonte: "Deshalb fördern wir als Unternehmen, dass gute Mitarbeiter in die Politik wechseln." Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung, Ulrike Flach (FDP), hatte eingeräumt, dass sie rund 60 000 Euro jährlich von Siemens für ihre Tätigkeit als Übersetzerin erhält. Der Vertrag mit Siemens ruht seit Jahresanfang, wie im November 2004 vereinbart.

Entscheidender Punkt sei Transparenz, unterstrich Pierer. "Es sollte für jeden klar ersichtlich sein, dass dieser Politiker eine solche Nebentätigkeit ausübt. Auf diesem Gebiet darf es keinen Graubereich geben." Im Gegensatz zur landläufigen Meinung halte er Regierungsmitglieder und Abgeordnete nicht für über-, sondern eher für unterbezahlt, sagte Pierer weiter. Ein Landtagsabgeordneter etwa sei durch sein Mandat nicht so beschäftigt, dass er nicht noch einen zusätzlichen Teilzeitjob in einem Unternehmen übernehmen könne.

Offenbar umfangreiche RWE-Zahlungen

Der Energiekonzern RWE zahlt laut Zeitungsbericht deutlich mehr als 600.000 Euro jährlich an eine ganze Reihe kommunaler Amts- und Mandatsträger wie Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister.

Insgesamt flössen hierfür jährlich deutlich mehr als 600.000 Euro, berichtet die "Berliner Zeitung". Wie der Konzern der Zeitung bestätigt habe, erhielten allein die Mitglieder der bei der Stromtochter RWE Energy angesiedelten Regionalbeiräte jährliche Zahlungen von jeweils 6.650 Euro.

Diesen Regionalgremien, die laut RWE "durchschnittlich fünfmal pro Jahr" tagen, gehören dem Bericht zufolge rund hundert Mitglieder an, die vom Vorstand der Stromtochter berufen werden. Nach RWE-Angaben handele es sich bei den Beiratsmitgliedern um "aktive Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister von solchen Gebietskörperschaften", die RWE-Aktien halten und im Verband der kommunalen Aktionäre organisiert sind. Aus Sicht des Konzerns dienen solche Beiräte "als Dialogforen und stellen einen Austausch von Know-how sicher", heißt es.

Sachverstand in die Parlamente

Die Gehaltsfortzahlung für Mitarbeiter in Landtagen und Bundestag ist für den VW-Konzern nach den Worten von Ex-Personalchef Martin Posth ein "bewusstes Programm" gewesen, um "aus unserem Unternehmen mehr Sachverstand in die Parlamente" zu bekommen. Da kein leitender Mitarbeiter in die Politik gehe mit dem Risiko, eine Wahl später auf der Straße zu sitzen, habe "man einen vernünftigen Ausgleich" schaffen müssen, sagte Posth der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse". Er war dem Bericht zufolge von 1988 bis 1993 Personalvorstand bei Volkswagen.

Eine Gegenleistung oder weitere Tätigkeit für den Konzern sei von Bundes- und Landespolitikern dafür nicht verlangt worden, fügte Posth hinzu. Die Richtlinie, die das regelte, habe es schon länger gegeben. Er habe das bereits in seiner Zeit als Personalchef von Audi (1980 bis 1985) "sehr vorangetrieben", sagte der 61-Jährige.

Stimmen der Politiker

Bei SPD und Grünen mehren sich die Forderungen nach einer Veröffentlichungspflicht für Gehälter, die Parlamentarier aus Nebentätigkeiten beziehen. Alle Nebeneinkommen sollten veröffentlicht werden, sagte Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte". Ansonsten stelle sich jeder die Frage, ob Politik gekauft werde.

Auch der niedersächsische SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel sprach sich für eine Verschärfung der Regeln aus. Transparenz sei die einzige Chance, Legales von Illegalem zu trennen, betonte er. Dazu gehöre neben einer Veröffentlichungspflicht auch, dass sich Parlamentarier Nebentätigkeiten genehmigen lassen müssten.

Unions-Fraktionsvize Ronald Pofalla (CDU) wandte sich gegen eine Veröffentlichungspflicht. Die bisherige Regelung, wonach Bundestagsabgeordnete dem Parlamentspräsidenten Nebentätigkeiten melden müssen, reiche aus.

Der Bundestag darf nach Ansicht von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) "keine geschlossene Gesellschaft" sein. Thierse sagte am Freitag im ARD-"Morgenmagazin", er halte es für vernünftig, wenn Abgeordnete den Kontakt zur beruflichen Sphäre aufrechterhalten, um später in ihre Berufe zurückkehren zu können. Wichtig sei aber Transparenz. Wenn Nebentätigkeiten öffentlich bekannt gegeben würden, schadeten sie nicht.

(afp)
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