Bundespräsident mischt sich ein Köhlers Amtsverständnis: Fluch oder Segen?

Berlin (rpo). Notfalls wolle er ein "unbequemes" Staatsoberhaut sein, sagte Bundespräsident Hort Köhler nach seiner Wahl. Er macht seinem Vorsatz alle Ehre. Ob bei der Diskussion um den 3. Oktober, beim Luftsicherheitsgesetz, in der Familienpolitik oder im Föderalismusstreit: Köhler mischt mit im politische Tagesgeschäft - und weckt bei den Regierenden immer häufger Argwohn.

Antrittsrede von Horst Köhler
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Antrittsrede von Horst Köhler

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Das Umfeld von Horst Köhler spricht von einer Vermittlerrolle des Bundespräsidenten. Für die Bundesregierung ist Köhlers Agieren oftmals schlicht Einmischung in die Tagespolitik. Ob im Föderalismusstreit, beim Luftsicherheitsgesetz oder in der Familienpolitik - Köhler macht seinem Vorsatz, notfalls ein "unbequemes" Staatsoberhaupt zu sein, alle Ehre. Dennoch, so scheint es, sucht der Bundespräsident immer noch nach einem Betätigungsfeld, das ihm auf den Leib geschnitten ist.

Die Aktivitäten von Köhler werden im Regierungslager schon lange hinter vorgehaltener Hand mit Argwohn beurteilt. Registriert wird, dass sich Mitarbeiter des Präsidialamtes sehr genau nach dem Stand der Umsetzung von Gesetzesvorhaben erkundigen. Besonders häufig klingelt das Telefon im Familienministerium. Kein Wunder, denn Köhler hat die Familienpolitik zu einem Schwerpunkt erklärt.

Köhler macht Familienpolitik zu seinem Thema

In der kommenden Woche nun will Köhler wahr machen, was er bereits am 23. Mai, unmittelbar nach seiner Wahl erklärt hatte. "Wir müssen uns alle anstrengen, eine familien- und kinderfreundliche Gesellschaft zu werden", hatte er damals gesagt. Mit Ministerin Renate Schmidt, DIHK-Präsident Ludwig-Georg Braun, DGB-Chef Michael Sommer und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens will Köhler Vorschläge erarbeiten, wie Deutschland wieder offener für Familien werden kann.

Einen Vorgeschmack über Köhlers unbequemes Agieren bekam die Bundesregierung bei ihrem Vorstoß, den 3. Oktober zu einem normalen Werktag zu machen. Es dauerte kaum einen Tag, bis Köhlers schriftlicher Widerspruch das Kanzleramt erreichte. In einem Brief an Bundeskanzler Gerhard Schröder schrieb das Staatsoberhaupt, dass er "überzeugendere Wege" zur Staatssanierung sehe, als einen Feiertag zu streichen. Im Regierungslager wurde diese Formulierung des ehemaligen IWF-Präsidenten als Einmischung gewertet. Böse Vorahnungen über den Nachtragshaushalt 2004, den Köhler unterzeichnen musste, machten die Runde. Der Nachtragshaushalt wurde im Präsidialamt zwar lange geprüft, Köhler unterzeichnete ihn jedoch ohne Appell an die Bundesregierung. Die Opposition will die Verfassungsgemäßheit allerdings in Karlsruhe überprüfen lassen.

Das Dilemma der Bundespräsidenten ist seine verfassungsrechtlich eingeschränkte Macht. Bleibt die öffentlich am meisten wahrgenommene "Macht der Worte", die Köhlers Vorgänger zu schätzen und auszunutzen wussten. Erinnert sei an die Mahnungen von Johannes Rau oder an die berühmte "Ruck"-Rede von Roman Herzog. Köhler ist bislang die große Rede zur Lage der Nation noch nicht geglückt. Auch die Denkanstöße zu brisanten gesellschaftlichen Themen verhallten oftmals nach kurzer Zeit.

Dem Vorwurf der Parteilichkeit begegnen

Seit Amtsantritt musste Köhler dem Vorwurf der Parteilichkeit begegnen. Von CDU-Chefin Angela Merkel vorgeschlagen, wurde er in der Bundesversammlung nur mit den Stimmen der Opposition ins Amt gewählt. Dass er zwar CDU-Mitglied ist, sich aber vor keinen parteipolitischen Karren spannen lassen will, wollte Köhler mit einigen Personalentscheidungen beweisen.

So holte er Michael Jansen als Staatssekretär ins Präsidialamt. Jansen, der schon Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) diente, war danach bei Degussa beschäftigt und zuletzt Vorsitzender der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Als Staatssekretär nimmt Jansen auch regelmäßig an den Kabinettssitzungen teil. Das ist zwar üblich, doch mit Jansen ist erstmals wieder ein Staatssekretär aus dem anderen politischen Lager Gast der Ministerrunde.

(ap)
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