Koalitionschaos Merkel fordert anderen Umgangston

Berlin (RPO). Die Deutschen glauben nicht mehr an Schwarz-Gelb. Laut einer aktuellen Umfrage erwarten 53 Prozent der Bundesbürger ein vorzeitiges Ende der Koalition. Mit Hilfe eines Interviews versucht die Kanzlerin, die Lage nun wieder in den Griff zu bekommen.

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Foto: AFP

Beschaulich sind die Bilder von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Wochenende. Am Samstag traf sie in Sassnitz den norwegischen Kronprinz Haakon und seine Frau Mette-Marit. Bei dem offiziellen Fotoshooting auf der MS Nordwind lachen die drei. Auch auf den Fotos zu dem dreiseitigen Interview in der "Bild am Sonntag" zeigt sich Angela Merkel von ihrer besten Seite. Die Sorgenfalten und Augenringe der vergangenen Tage sind retuschiert. Zupackend soll sie wirken, aber auch charmant in rotem Blazer.

In dem Interview fordert sie Abrüstung bei den Umgangsformen. "Wir müssen den Menschen in einer schwierigen Zeit Verlässlichkeit bieten. Nur so können wir wieder Vertrauen gewinnen", sagte die CDU-Vorsitzende. Die Kanzlerin sagte, Begriffe wie "Wildsau", Rumpelstilzchen" oder "Gurkentruppe", mit denen Koalitionspolitiker in der vergangenen Woche vor allem den Krach um die Gesundheitspolitik ausgetragen haben, seien kein akzeptabler Stil. Sie fügte hinzu: "Das darf und wird nicht Schule machen."

Die Kanzlerin äußerte sich in dem Interview auch zu Streitpunkten der Koalition. Zum einen bekannte sie sich, "Anhängerin der Wehrpflicht" zu sein. Gleichzeitig stärkte sie aber auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg den Rücken, der eine Abschaffung der Wehrpflicht auf mittlere Sicht nicht ausschließt. Der CSU-Minister habe den Auftrag, sich ohne Denkverbote mit der Zukunft der Bundeswehr zu beschäftigen, sagte Merkel.

Zum anderen sprach sie den vor allem von der CSU angegriffenen Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ihre volle Unterstützung aus. "Ich plädiere dafür, dass der Gesundheitsminister jetzt ohne unnötigen Zeitdruck in Ruhe und mit den Vorsitzenden der Koalitionsparteien den Korridor für die Reform abstecken kann." Der FDP-Politiker sei ein "exzellenter Minister im Kabinett, und ich schätze ihn sehr", wird Merkel zitiert.

Die CDU-Vorsitzende bestritt, dass ihre Autorität als Kanzlerin gelitten hat. Zum Instrument des Machtworts will Merkel auch in Zukunft nicht greifen: "Ich habe meinen eigenen Stil. Ich konzentriere mich auf die Arbeit für Deutschland und freue mich, dass wir zum Beispiel bei der Stabilisierung des Arbeitsmarktes die beste Bilanz aller vergleichbaren Industriestaaten haben - und das nach dem schwersten Wirtschaftseinbruch unserer Republik."

Merkel kritisierte zudem die Diskussionen in der Union um eine Anhebung des Spitzensteuersatzes. "Wir haben in der Koalition ein ausgewogenes und den Aufgaben gerecht werdendes Paket vereinbart. Es ist jetzt geboten, dass alle in der Koalition dieses Paket auch bei den Bürgern vertreten und dafür werben", sagte sie der "BamS".

Die Kanzlerin verband diese Kritik mit einem Appell zu mehr Disziplin. "Es ist guter demokratischer Brauch: Bis zur Entscheidung wird hart diskutiert und danach tragen alle die Entscheidung gemeinsam. Verlässlichkeit und Vertrauen gewinnen wir bei den Bürgern nur, wenn wir zu unseren eigenen Beschlüssen stehen. "

Die Koalition ist sich in zahlreichen Themen nicht einig. Streitpunkte sind Hilfen für den angeschlagenen Autobauer Opel durch Staatsbürgschaften, die Reform des Gesundheitswesens, eine mögliche Verlängerung der Atomlaufzeiten oder die Zukunft der Wehrpflicht. Uneinheitlich wird in dem Bündnis auch die Nominierung das niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) als Kandidat für die Nachfolge von Horst Köhler im Bundespräsidialamt sowie das von der Regierung beschlossene Sparpaket in Höhe von 80 Milliarden Euro bewertet.

Man darf gespannt sein, ob Merkel ihre Minister wieder in den Griff bekommt.

(apd/ddp/RPO/fb)
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