Ewiger Streit in der Bundesregierung Das Sparpaket sorgt für Zündstoff

Wiesbaden (RPO). Kaum beschlossen, gibt es schon wieder Streit um das Sparpaket der Bundesregierung. Im Fokus sind besonders die Kürzungen im sozialen Bereich und eine Erhöhung der Spitzensteuersätze. Vor allem in den unionsregierten Ländern wächst der Widerstand gegen die Sparpläne.

 Die Ministerin strebt bei den Jobcentern eine Lösung unter einem Dach an.

Die Ministerin strebt bei den Jobcentern eine Lösung unter einem Dach an.

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Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge wandte sich die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gegen die geplante Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger. Sie sprach von einer "unzulässigen Stigmatisierung" der Empfänger, die es in den meisten Fällen "schon schwer genug" hätten.

Ewiger Streit in der Bundesregierung: Das Sparpaket sorgt für Zündstoff
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Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat indes weitere Kürzungen beim Elterngeld ausgeschlossen. "Darauf habe ich das Wort des Bundesfinanzministers", sagte Schröder der Zeitung "Wiesbadener Kurier". Familien brauchten Sicherheit. "Deswegen wird das Elterngeld bis 2013 nicht mehr angetastet", sagte Schröder dem Auch am Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz bis 2013 werde nicht gerüttelt.

Beim Streitthema Betreuungsgeld drohten führende CSU-Politiker sogar damit, im Bundestag ein Veto gegen das Sparpaket einzulegen, wenn das von der CSU geforderte Betreuungsgeld gestrichen werde, berichtet der "Spiegel".

"Wir machen die Einschnitte bei den Familienleistungen nur mit, wenn das Betreuungsgeld nicht zur Disposition gestellt wird", sagte die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer. Auch CSU-Chef Horst Seehofer wolle am Betreuungsgeld festhalten. Der Betrag von 150 Euro pro Monat für Kinder unter drei Jahren soll laut Koalitionsvertrag ab dem Jahr 2013 gezahlt werden. Bei CDU und FDP gibt es aber erheblichen Widerstand gegen dieses Vorhaben.

"Es liegt alles auf dem Tisch"

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rechnet nach dem Sparpaket der Bundesregierung für die nächsten vier Jahre nicht mit vergleichbaren Einschnitten. "Es liegt jetzt alles auf dem Tisch", sagte von der Leyen dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Jeder kann wissen: Das war's. Die Marschroute für die nächsten vier Jahre steht fest."

Die Ministerin kündigte die Streichung zahlreicher Programme für Arbeitslose an. "Etwa ein Fünftel unserer rund 40 Programme bringt zu wenig. Das knappe Geld sollten wir auf die Programme konzentrieren, die nachweislich Menschen in Arbeit bringen", sagte sie.

Bei den Rentenzahlungen dürfe auch künftig nicht gespart werden, betonte von der Leyen. Die Rentnergeneration könne nicht mehr vorsorgen. "Es wäre deshalb unfair, sie nun zur Kasse zu bitten", sagte die Ministerin.

Müller fordert Luxussteuer

Sowohl bei der Mehrwertsteuer als auch bei der Einkommensteuer sprach sich der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) in der "WirtschaftsWoche" für höhere Spitzensteuersätze aus. Höhere Steuern seien erforderlich, damit auch die Leistungsstarken zum Sparpaket der Bundesregierung beitrügen, sagte der CDU-Politiker. "Wenn schon der Gürtel enger geschnallt werden muss, dürfen die größten Gürtel nicht außen vor bleiben."

Im einzelnen plädierte Müller für eine Luxussteuer von 27 Prozent auf "Luxusgüter wie Segelyachten, teure Limousinen und Champagner". Solche Produkte sollten "höher als zum normalen Mehrwertsteuersatz besteuert werden". Dies geschehe längst in einer Reihe von Nachbarstaaten, die nicht nur zwei, sondern drei Mehrwertsteuersätze hätten.

Bei der Einkommensteuer kann sich Müller nach eigenen Angaben beim Spitzensteuersatz eine Anhebung von derzeit 42 auf 48 Prozent vorstellen - plus Solidarzuschlag und Reichensteuer. Die Mehreinnahmen von anderthalb Milliarden Euro pro Prozentpunkt könnten sowohl für die Konsolidierung des Staatshaushalts als auch gegen die kalte Progression verwendet werden.

Der Koalitionspartner FDP habe sich bereits von den Steuersenkungsplänen verabschiedet, konstatierte der saarländische Ministerpräsident. Auch das Tabu "keine Steuererhöhungen" sei in Wahrheit längst gefallen. "Im schwarz-gelben Sparpaket stehen die Einführung einer Brennelementesteuer, eine Ticketabgabe für Flugpassagiere und die Einschränkung von Begünstigungen bei der Energiesteuer. Das alles sind faktische Steuererhöhungen", sagte Müller.

Schäuble offen für höheren Spitzensteuersatz

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich offen für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes gezeigt. "Es ist gutes Recht der Abgeordneten, Maßnahmen der Regierung durch andere zu ersetzen", sagte Schäuble dem "Spiegel" mit Blick auf die anstehenden parlamentarischen Beratungen zum Sparpaket. Auf die Frage, ob das auch für einen höheren Spitzentarif in der Einkommensteuer gelte, antwortete er: "Warum denn nicht?" Das Parlament sei Herr des Verfahrens.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hingegen schließt Steuererhöhungen als Ergänzung zum Sparpaket aus. "Man hat sich in der Koalitionsspitze darauf verständigt, und dabei bleibt es", sagte Kauder der "Süddeutschen Zeitung". Man müsse in einer Koalition verlässlich bleiben. An dieser Linie werde auch nach der Wahl des Bundespräsidenten am 30. Juni nichts geändert. Kauder betonte, die Zusage gelte auf jeden Fall für den Haushalt 2011. Allerdings beschreibe das Paket auch die Richtung für die kommenden Jahre.

Beim Gesundheitssystem solle eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze geprüft werden. Dadurch könne "die Solidaritätsbasis breiter werden". Damit verbunden wäre dann auch eine Anhebung der Versicherungspflichtgrenze.

FDP hegt Unmut gegen Merkel

Die Unruhe in der Koalition wächst auch auf Ebene der Bundeskanzlerin. Die FDP forderte, Angela Merkel (CDU) müsse ihre Rolle neu definieren. Sie müsse einen Beitrag zur Kooperationskultur in der Koalition leisten, erklärte der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionschef Gerhard Papke dem"Spiegel".

Schärfere Worte fand Baden-Württembergs Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: "Man hatte bisweilen den Eindruck, dass Frau Merkel die Koalition hintertreibt. Das sollte sich nicht wiederholen, damit sich nicht die Frage stellt, ob die Koalition Sinn macht."

(AFP/ddp/jre)
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