Kolumne: „Hier in NRW“ Hambach wird Symbol für Scheinheiligkeit

Düsseldorf · Der tragische Todesfall im Hambacher Forst überschattet die tatsächliche Debatte.

 Aktivisten stehen im Hambacher Forst an der Gedenkstätte für den abgestürzten Journalisten.

Aktivisten stehen im Hambacher Forst an der Gedenkstätte für den abgestürzten Journalisten.

Foto: dpa/David Young

Der Kampf um die Abholzung des Hambacher Forsts hatte auch vor dem tödlichen Unfall eines Bloggers schon eine tragische Komponente. Seine symbolische Überhöhung lenkt fahrlässig ab von der Debatte, welchen ökologischen und welchen volkswirtschaftlichen Preis wir für unsere Energieversorgung zu zahlen bereit sind.

Statt dieser Diskussion bieten fast alle Protagonisten Fadenscheinigkeiten an. Die Landesregierung, die mit der Räumung des Waldes ein Exempel für ihre Null-Toleranz-Sicherheitspolitik statuieren will und auch muss, nimmt den fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern der Besetzer zum Vorwand für die Räumung. Viele Besetzer wiederum nehmen den Umweltschutz zum Vorwand, um einen Kampf gegen den Kapitalismus auszutragen, wie sie in Internetforen bekunden. Die grüne Opposition im Landtag setzt sich an die Spitze der Abholzungs-Gegner, obwohl die Grünen selbst vor zwei Jahren die Rechtsgrundlage für die Rodung mit geschaffen haben.

Auch ein großer Teil der friedlichen Demonstranten, die am Wochenende wieder zu Tausenden nach Hambach gereist sind, sonnt sich zu Unrecht in der Rolle des couragierten Weltverbesserers. Die meisten von ihnen hatten überhaupt kein Problem damit, per Auto, Bahn oder mit anderen CO2-Verursachern anzureisen und das Geld für diese Anreise mit Jobs zu verdienen, die direkt oder indirekt von günstiger Energie abhängen.

Teil der Wahrheit ist: Die Industrienation Deutschland verdankt ihren Wohlstand auch der Tatsache, dass hier seit Jahrzehnten billige Energie im Überfluss bereitsteht. Wer das ändern will, muss auf Komfort und Einkommen verzichten. Das ist allerdings unbequemer, als an einem sonnigen Wochenende zu einem Waldstück zu spazieren und sich dort als Umweltschützer aufzuspielen. Es reicht eben nicht, gegen Braunkohle und gegen RWE zu sein. Man muss auch sagen, was man stattdessen will, und – noch schwieriger – die erwünschte Alternative auf Machbarkeit überprüfen, um alsdann eine demokratische Mehrheit dafür zu organisieren. Umweltschützer, die es ernst meinen, engagieren sich in der Politik und nicht im Wald.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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