Horst Seehofer Götterdämmerung in München

Düsseldorf · Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer steht auch bei den Seinen nicht mehr im Zenit des Ansehens. Das Aus von Staatskanzlei-Chefin Christine Haderthauer lässt an Seehofers Fortüne zweifeln.

Horst Seehofer: Götterdämmerung in München
Foto: dpa

Die Privatgeschäfte mit Modellautos, die von therapiebedürftigen Schwerverbrechern gebaut wurden, seien "ein von Idealismus getragenes Engagement" gewesen. Dieser eine fatale Satz von Bayerns Ex-Staatskanzlei-Ministerin Christine Haderthauer (CSU) ließ vielen in Bayern die Haare zu Berge stehen. Der Satz, den Haderthauer mittlerweile selbst bereut, aber nicht mehr aus der Welt schaffen konnte, hat das Zeug, an Silvester zu den meist misslungenen Rechtfertigungsversuchen des Jahres gezählt zu werden. Er brachte Haderthauers Chef und zunächst auffallend langmütigen Gönner Horst Seehofer in Harnisch. Sofort nach Ende der Sommerferien zog der oberste Bayer seine schützende Hand über "der Christine" weg, deren "saublöde Kommunikation der saublöden Modellauto-Geschichte" (so redet man derzeit in der CSU über die unangenehme Sache) die Schatten vergrößern, die sich über Seehofer selbst legen. Viele fragen sich: Hat den ersten Mann in der CSU und im Freistaat Bayern die Fortüne verlassen? Ist jemand, dem das politische Glück nicht mehr hold zu sein scheint und der 65 Jahre alt ist, nicht langsam reif fürs Altenteil?

Die Richard-Wagner-Festspiele im oberfränkischen Bayreuth sind vorbei; jetzt könnte zeitversetzt und in vielen Akten Seehofers "Götterdämmerung" als großes CSU-Bühnendrama mit vielen garstigen Liedern auf den Spielplan kommen. Es gibt erfahrene politische Deuter und solche, die in Jahrzehnten politischen Kampfes für die christsoziale Sache gestählt wurden, die davor warnen, Horst Seehofer allzu schnell abzuschreiben: Der Mann sei ein Eisenfuß, er werde wie angekündigt erst zur nächsten Bayern-Wahl 2018 für eine andere oder einen anderen Platz machen. Was nicht ausschließt, dass sich doch ab Ende 2015 abzeichnet, wer das sein könnte. Vielleicht werden die Spitzenämter - Ministerpräsidentenamt und CSU-Vorsitz - auch aufgeteilt. Aus heutiger Sicht hieße das womöglich: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (zugleich CSU-Bezirkschefin Oberbayern) könnte Seehofer an der Parteispitze, Finanz-und Heimatminister Markus Söder (zugleich CSU-Bezirksvorsitzender Nürnberg) Seehofer als Regierungschef Bayerns ablösen.

Was aber wird sein, wenn Horst Seehofer negative Schlagzeilen wie jetzt im Zusammenhang mit Christine Hader-thauer nicht los wird, wenn er beispielsweise sein fast heiliges Versprechen, eine Auto-Maut für ausländische Straßenbenutzer durchsetzen zu wollen, nicht einlösen kann? Es gibt auch in Bayern maßgebliche, nicht CSU-unfreundliche Menschen, die von der "dummen Maut" sprechen und davon, dass sich Seehofer und sein Maut-Vollstrecker, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, da in etwas politisch Nachrangiges verbissen hätten. Falls der mit Seehofer wie verkoppelt agierende Dobrindt die Mautpläne aus rechtlichen Gründen nicht ins Bundesgesetzblatt brächte, wären beide CSU-Spitzen-Männer politisch mehrere Nummern kleiner als zuvor. Manche sagen: Sie wären dann erledigt.

Die CSU-Legende Winfried Scharnagl, die wie keiner sonst in der Partei an der Ikonografie des Partei-Heros Franz Josef Strauß mitgewirkt hat, kocht beinahe vor Wut über die aus seiner Sicht wenig geschwisterliche Schwesterpartei CDU. Dabei hat Scharnagl, der neuerdings wieder wie einst gepfefferte Kolumnen im CSU-Parteiblatt "Bayernkurier" verfasst, insbesondere den Chef der CDU-NRW, Armin Laschet, im Blick. Inzwischen sei SPD-Chef Sigmar Gabriel ein zuverlässigerer Partner bei der geplanten Maut-Einführung als Teile der CDU in NRW und in Baden-Württemberg. Das sei ein Skandal.

Noch derber fährt der frühere CSU-Generalsekretär und Ex-Minister Thomas Goppel Laschet in die Parade: "Der soll erst mal zeigen, dass er Hannelore Kraft bekämpfen und Wahlen in NRW annähernd so erfolgreich bestehen kann, wie der CSU das seit Jahrzehnten in Bayern gelingt." Goppel fuhr sarkastisch fort: "Laschet hat Ergebnisse, da sollte er lieber den Mund halten; vom Kritisieren anderer verbessern sich die eigenen Chancen nicht."

Was in der Umgebung Seehofers gerne verschwiegen wird ist, dass Laschet in NRW oder Thomas Strobl (CDU) in Baden-Württemberg nicht allein sind mit ihren schwerwiegenden Bedenken gegen eine Maut auf allen Straßen und in sämtlichen grenznahen Regionen. Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) etwa und der grenznahe Handel sowieso hegen ähnliche Vorbehalte. Zunächst wurde Herrmann deshalb von Seehofer vor Wochen gerüffelt. Mittlerweile zeigte sich auch der grundsätzlich flexible CSU-Vorsitzende und Ministerpräsident offen für Nachbesserungen bei der Deutschland-Maut für Auslands-Pkw.

Noch werden Überlegungen zur baldigen Seehofer-Nachfolge selten und meist hinter vorgehaltener Hand angestellt. Der renommierte CSU-Deuter und Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter (Passau) stellt fest, Seehofer sei nicht mehr in der "Erlöserposition". Nach den bravourösen CSU-Siegen 2013 bei der Bayern- und Bundestagswahl stand Seehofer bei den Seinen im Zenit des Ansehens. Jetzt steht er unter kritischer Beobachtung, so wie ein Senior im Beruf, bei dem sich Jüngere fragen: "Kann er's noch?"

Fiele Seehofer unerwartet aus, folgte ihm wohl der allseits geachtete Joachim Herrmann (57) - die Solidität in Person. Kommt der Wechsel wie geplant erst 2017/2018, ist noch nicht ausgemacht, ob neben Söder und Aigner jemand wie Umweltminister Marcel Huber (56) auch in Reihe eins steht. Tierarzt Huber ist 2013 erneut in Mühldorf/Inn bayerischer Stimmkreis-"König"(63 Prozent) geworden - vor Seehofer. Huber gilt als intelligent, volkstümlich, charakterfest. Er war 2011 schon einmal kurzzeitig Chef der Staatskanzlei.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort