Studie zur Wahrnehmung des Parlaments Das Interesse am Bundestag lässt nach

Berlin · Eigentlich ist er das Herzstück unserer Demokratie: der deutsche Bundestag. Hier kommt es zum Schlagabtausch der Fraktionen, hier werden Gesetze verabschiedet. Doch von den Wählern wird die Arbeit des hohen Hauses kaum mehr wahrgenommen, ergab nun eine aktuelle Studie – anders etwa als in Großbritannien.

 Das Plenum des Bundestages. In der Studie heißt es, dass Mitte der 80er noch doppelt so viele Menschen die Debatten dort verfolgt hätten.

Das Plenum des Bundestages. In der Studie heißt es, dass Mitte der 80er noch doppelt so viele Menschen die Debatten dort verfolgt hätten.

Foto: dpa, mkx cul htf

Eigentlich ist er das Herzstück unserer Demokratie: der deutsche Bundestag. Hier kommt es zum Schlagabtausch der Fraktionen, hier werden Gesetze verabschiedet. Doch von den Wählern wird die Arbeit des hohen Hauses kaum mehr wahrgenommen, ergab nun eine aktuelle Studie — anders etwa als in Großbritannien.

Wenn es um die Arbeit der Bundestagsabgeordneten geht, dann haben die deutschen Wähler durchaus hohe Erwartungen, wie aus der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervorgeht. 96 Prozent erwarten, dass die Volksvertreter die Anliegen und Interessen der Bürger vertreten, 94 Prozent sagen, sie sollten sich auch über die Wünsche der Bürger informieren. Die Regierung kontrollieren, Kontakte in den Wahlkreis halten und sich dort auch oft sehen lassen stehen ebenfalls weit oben auf der Liste der Erwartungen der Bürger — ebenso, dass die Abgeordneten bei den Debatten im Parlament anwesend sind. Das sagen 73 Prozent der Befragten. Doch sie selbst haben an diesen Debatten wesentlich weniger Interesse, wie die Studie ergab.

Demnach kann sich nur jeder vierte Deutsche konkret an eine Debatte der vergangenen Monate im Bundestag erinnern. Und nur 27 Prozent der Befragten haben in dieser Zeit überhaupt eine Debatte im TV oder Radio mitverfolgt. Das sei, so stellt die Stiftung fest, früher ganz anders gewesen. Demnach hätten Mitte der 80er Jahre noch doppelt so viele Menschen die Diskussionen im Parlament beachtet. Der Bundestag, so heißt es in der Studie, leide offenbar unter einem gewaltigen "Wahrnehmungsdefizit seiner Debatten". Die Forscher versuchten, dafür Gründe zu finden.

Vergleich zu Großbritannien

Demnach klagt eine Mehrheit der Deutschen darüber, dass die Debatten vorhersehbar seien. So wünsche sich nur eine Minderheit, dass im Parlament in erster Linie Schaukämpfe zwischen den Fraktionen abgehalten werden. Viele fänden es sympathischer, wenn die Redner stattdessen andere überzeugen wollten. Auch, so heißt es in der Untersuchung weiter, sei die mediale Berichterstattung über die Debatten selbst in den vergangenen Jahren zurückgegangen. So habe man in den vergangenen zwölf Monaten in den deutschen Leitmedien lediglich 275 Beiträge über die parlamentarische Arbeit entdeckt. 2005 und 2006 seien es im Schnitt 468 pro Jahr gewesen.

Dass es auch anders geht, wollten die Forscher am Beispiel von Großbritannien zeigen. Dort verfolgten die Menschen die öffentliche Fragestunde des Parlamentes weit mehr als im deutschen Haus. Denn in London befragen die Abgeordneten dann den Premierminister zu aktuellen politischen Fragen, was mitunter in heftigen Wortgefechten ende. Den Machern der Studie ist zwar durchaus klar, dass das britische Modell nicht eins zu eins auf das deutsche übertragen werden kann, da es an der Themse ein Zwei-Parteien-Modell gibt. Dennoch glauben sie, dass die Attraktivität des Bundestages für die Wähler erhöht werden könnte, wenn man auch die Fragestunden attraktiver gestalten würde.

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Denn die gibt es durchaus. Und die große Koalition hat sich jüngst auch bereits darauf verständigt, dass jeder Minister dort einmal pro Jahr den Abgeordneten Rede und Antwort stehen soll. Die Macher der Studie aber fordern weitmehr — nämlich dass nicht nur die Minister, sondern auch die Kanzlerin und ihr Vize sich dort regelmäßig den Fragen der Abgeordneten stellen sollten.

Gerade einmal die Hälfte kennt die Oppositionsparteien

Wie wenig die Arbeit des Parlaments noch beim Bürger ankommt, zeigen auch weitere Ergebnisse der Studie. So konnten etwa nur 54 Prozent der Befragten sagen, welche Parteien derzeit die Opposition stellen. 29 Prozent gaben auf diese Frage eine falsche Antwort, 17 Prozent machten keine Angabe. Und bei den Jüngeren nimmt die Zahl sogar noch ab. Bei den 16- bis 29-Jährigen konnten gerade einmal 38 Prozent die Frage richtig beantworten.

Zudem gaben nur 17 Prozent der Befragten an, dass sie in letzter Zeit etwas über die Tätigkeit ihres Abgeordneten im Parlament gehört hatten. Aber zumindest sind die Abgeordneten im eigenen Wahlkreis für viele keine Unbekannten mehr. Denn 67 Prozent sagten, dass sie schon einmal einen örtlichen Bundestagsabgeordneten kennengelernt bzw. von ihm gehört haben. Im Jahr 1995 sagten das nur 55 Prozent.

(das)
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