Einzug der AfD ins Parlament So ging der Bundestag früher mit neuen Fraktionen um

Berlin · Der neue Bundestag hatte noch keine ganze Minute getagt, da gab es den ersten Widerspruch von der AfD. Ihr Antrag wurde von den anderen 87 Prozent der Abgeordneten zurückgewiesen. Aber wie gingen frühere Parlamente eigentlich mit "Neuen" um?

 Die Grünen zogen das erste Mal mit Blumen, Bärten und Norweger-Pullovern in den Bundestag ein - damals in Bonn (Archivfoto).

Die Grünen zogen das erste Mal mit Blumen, Bärten und Norweger-Pullovern in den Bundestag ein - damals in Bonn (Archivfoto).

Foto: ASSOCIATED PRESS

Als alles neu war in Deutschland, gab es auch noch nicht die bundeseinheitliche Fünf-Prozent-Hürde. So kamen 1949 auch regional starke Kräfte ins Parlament, das deshalb zunächst aus elf Parteien und drei unabhängigen Kandidaten bestand - inklusive Parlamentariern von der äußersten kommunistischen Linken, die Jahre später vom Verfassungsgericht verboten wurde.

In den folgenden Wahlen schrumpfte die Anzahl der Fraktionen bis 1961 auf drei. Das blieb der Standard über mehr als zwei Jahrzehnte. Erst die Grünen brachen die Konstellation 1983 auf: Die Friedens-, Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung war im Parlament angekommen.

1983: Die Grünen - die Neuen im Schlabberlook

Doch schon bei der Sitzordnung gab es Probleme. Die Union wollte die Neuen im Schlabberlook möglichst verstecken. Deshalb sollten sie im alten Bonner Plenarsaal ganz nach links, wo sie dann unter den Zuschauertribünen gesessen hätten — schwer aufzuzeichnen von den Fernsehkameras. Doch die SPD wollte nicht, dass sich links neben ihr eine demokratisch legitimierte Partei in Szene setzen kann.

Auch die Grünen drohten mit einer Sitzblockade, wenn sie nicht in die Mitte des Plenarsaales kämen. So geschah es, aber inhaltlich blieben die Ökopaxe außen vor. Keiner wollte gemeinsame Anträge mit ihnen machen, und bei der wirksamen parlamentarischen Kontrolle gab es zunächst Zweifel an der Zuverlässigkeit, etwa sich an die Geheimhaltung im Kontrollgremium für die Nachrichtendienste zu halten.

1990: Eine Gruppe von PDS-Abgeordneten kommt in den Bundestag

Mit der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 erweiterte sich das Spektrum erneut: Unter den 144 Abgeordneten, die die Volkskammer aus ihrer Mitte in den Bundestag wählte, befand sich auch eine Gruppe von PDS-Abgeordneten. Das war die Nachfolgepartei der vormaligen DDR-Staatspartei SED, die sich später mit einer SPD-Absplitterung zur Linken zusammenschließen sollte. Auch sie wurden mit spitzen Fingern angefasst.

Dabei betonten die demokratischen Sozialisten in der ersten Sitzung des gesamtdeutschen Bundestages am 4. Oktober 1990 die Gemeinsamkeit der Demokraten. Als die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth den Dank des Bundestages an die ehemaligen Stadtkommandanten Berlins und an die Schutzmächte für ihre Garantie der Freiheit in Westberlin ausdrückte, klatschten auch PDS-Abgeordnete.

Doch es dauerte lange, bis die PDS erstmals das Wort bekam. Erst gab Bundeskanzler Helmut Kohl eine Regierungserklärung ab, auf die Willy Brandt für die SPD antwortete. Es folgten der Unionsfraktionschef Alfred Dregger, drei Politiker der Grünen, ein weiterer von der SPD und einer von der FDP, bis Gregor Gysi erstmals ans Rednerpult durfte.

Als er die SED brandmarkte als jene Partei, die die Hauptverantwortung für undemokratische und individuellen Freiheitsrechten widersprechenden Systemen und Strukturen trage, erhielt er rot-rot-grünen Beifall, also von der eigenen PDS, von der SPD und von den Grünen. Die Union und die FDP beschränkten sich im Wesentlichen auf Zwischenrufe. Die Union bemühte in späteren Wahlkämpfen auch noch rote Socken, um die Aversionen gegenüber der neuen Partei im wiedervereinigten Deutschland zu nutzen.

2005: Die Ablehnung von Lothar Bisky

Einen Höhepunkt erlebte die Distanz gegenüber der PDS, als sich die anderen Parteien weigerten, den Parteichef Lothar Bisky im Jahr 2005 zum Bundestagsvizepräsidenten zu wählen. Zwar war längst geklärt, dass jeder Fraktion ein Posten im Präsidium zustehen sollte, aber die mit dem Amt verbundene Überparteilichkeit traute die große Mehrheit des Bundestages einem Parteivorsitzenden nicht zu.

Als die PDS nach vier gescheiterten Wahlgängen Bisky zurückzog wurde dessen Parteigenossin Petra Pau gewählt. Es blieb jedoch bei der äußersten Zurückhaltung besonders von Union und FDP, mit der PDS gemeinsam politische Initiativen zu unterstützen.

(may-)
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