76 Prozent sympathisieren mit der Kanzlerin "Geliebte Mutti" - Merkel liegt in Polen ganz vorne

Warschau · Wenn im Nachbarland Deutschland gewählt wird, schauen auch viele Polen genau hin. Die meisten Polen gehen allerdings davon aus, dass es weitergehen wird wie bisher: pragmatisch und recht harmonisch.

Pressestimmen: Das schreiben die Medien zum TV-Duell
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Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Die Polen würden Angela Merkel wählen. Seit Jahren liegt die Bundeskanzlerin in Umfragen zu ausländischen Politikern ganz vorne, 76 Prozent der Polen mögen sie. Von solchen Umfragewerten kann der polnische Regierungschef Donald Tusk, seit Monaten im Meinungstief, nur träumen. Selbst US-Präsident Barack Obama liegt deutlich abgeschlagen hinter der Bundeskanzlerin. Als das Meinungsforschungsinstitut CBOS Ende 2012 nach den wichtigsten ausländischen Politikern fragte, führte Merkel die Liste an. Angesichts der traditionellen Treue der Polen zu den USA und der nicht immer einfachen deutsch-polnischen Geschichte keine Selbstverständlichkeit.

Bei der Bundestagswahl gehen die Polen mit Blick auf die aktuellen Umfragewerte in Deutschland von einem Wahlsieg Merkels aus. Herausforderer Peer Steinbrück stieß bei einem Warschau-Besuch im Frühjahr zwar auf Interesse polnischer Medien und Politiker. Doch selbst im Falle eines Machtwechsels in Deutschland rechnen die Polen nicht mit einem grundlegenden Wandel im Verhältnis zwischen den beiden Nachbarländern. Schließlich wird die Normalität und die enge Zusammenarbeit beider Staaten - sei es in der Europapolitik, beim Jugendaustausch oder bei der wirtschaftlichen Kooperation seit Jahren gerühmt, aber auch zunehmend als etwas ganz Normales betrachtet.

Mit Angst vor Deutschland lassen sich in Polen keine Wählerstimmen mehr gewinnen. Das musste zuletzt der nationalkonservative Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski erkennen, der 2011 vor der polnischen Parlamentswahl ein Buch veröffentlichte, in dem er Merkel Großmachtstreben vorwarf.

Last der Vergangenheit

Mehr als 40 Jahre nach dem Beginn des Versöhnungsprozesses zwischen Polen und Deutschland sieht die Mehrheit der Polen nicht mehr allein die Last der Vergangenheit und die Verbrechen Nazi-Deutschlands im Zweiten Weltkrieg, sondern die Chancen der Gegenwart und die gemeinsame Zukunft. Dabei ist Merkel für die östlichen Nachbarn eine mittlerweile bekannte Größe. Und seit bekannt ist, dass die Kanzlerin einen polnischen Großvater hatte, hat sie noch ein paar Beliebtheitspunkte gesammelt.

"Ukochana Mamusia" (geliebte Mutti) schrieb das Magazin "Newsweek Polska" über die Kanzlerin und die Stimmung in Deutschland vor der Bundestagswahl. Eine Erklärung für die Popularität der Kanzlerin sahen sie eher nicht: "Sie hat keine großen Visionen. Frau Merkel ist mit Sicherheit keine große Rednerin. Beim Lesen ihrer Interviews kann man manchmal einschlafen. Aber so sind fast alle deutschen Politiker."

Also nichts Neues im Westen? Berechenbarkeit, Normalität und Pragmatismus sind aus polnischer Sicht nicht der schlechteste Zustand im deutsch-polnischen Verhältnis. Weder in den Medien noch von Politikern gab es bisher Stimmen, die eindeutig Partei für Kandidaten und Parteien bezogen.

Interesse dürfte zunehmen

Das Interesse an der Wahl in Deutschland dürfte bis zum 22. September aber noch zunehmen. Schon jetzt informiert etwa das "Institut für öffentliche Angelegenheiten" (ISP), ein Warschauer Think Tank, auf seiner Webseite über Parteiprogramme, Umfragen und Wahlkampfneuigkeiten.

Noch näher dran ist die Deutschlandexpertin Agnieszka Lada, die in ihrem Blog auch als "Wahlbeobachterin" im Einsatz ist. Ihr fiel bei den Wahlkampfspots von Merkel und Steinbrück zumindest eine Gemeinsamkeit auf: "Die Kandidaten bitten am Ende um Unterstützung am Wahltag. Von den Lippen polnischer Kandidaten ist das Wort "bitte" eher selten zu hören..."

(dpa)
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