Minister stellt Steuersenkungen in Aussicht Brüderle fährt der Kanzlerin vor den Bug

Berlin (RPO). Kaum muss der Bund weniger Schulden machen, gibt die FDP ihren alten Schlachtruf wieder heraus: Steuersenkungen müssen her. Mit ihren Gedankenspielen bewirken Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Steuern und Finanzen der FDP-Fraktion, Daniel Volk, vor allem eins: Sie fahren der Kanzlerin kräftig vor den Bug.

Das ist Rainer Brüderle
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"Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuersenkungen sind nicht aufgehoben, sondern nur auf der Zeitachse verschoben", sagte Brüderle der "Süddeutschen Zeitung". Die Konsolidierung des Haushalts habe zwar Vorrang, es gelte aber: "Je schneller und nachhaltiger uns das gelingt, umso eher können wir das Steuersystem vereinfachen und die Steuern senken."

Und Volk erklärte in der "Financial Times Deutschland": "Jetzt haben wir genug Luft für eine Abflachung des Mittelstandsbauchs und eine Entschärfung der kalten Progression." Die von der FDP bis zum Veto von Angela Merkel geforderte Steuersenkung in Höhe von 16 Milliarden Euro sei jetzt gut zu finanzieren.

Brüderle und Volk bekommen zudem Unterstützung aus der Union. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg, hält Entlastungen ebenfalls für möglich. Angesichts der besseren Haushaltslage "stünde einer Steuersenkung von fünf Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung nichts entgegen", sagte er der "Financial Times Deutschland".

Geringeres Defizit schon eingerechnet

Zwar scheint diese Konsequenz aus Sicht der Liberalen fast logisch. Doch lässt die FDP dabei eines unerwähnt. Laut Finanzministerium sei das geringere Defizit bereits in die Grundlage der Kabinettsklausur über das Sparpaket eingeflossen. Nichts Neues also auch für die FDP, die die Sparanstrengungen ebenso vehement verteidigte wie ihr Koalitionspartner.

Doch 65 Milliarden statt 80 Milliarden neuer Schulden geben der FDP genau den Antrieb, den sie sich seit Wochen herbeisehnt. Denn das Thema Steuererleichterungen war das Hauptanliegen der Liberalen. Und so spielen sie es trotz vorzeitigen Wissens der Haushaltslage. Zumal die Partei seit dem Machtwort der Kanzlerin, dass angesichts der Haushaltslage zurzeit keine Steuersenkungen möglich sind, nach neuen Inhalten sucht, mit denen sie sich profilieren kann.

Bei den Bürgern aber kommt derzeit nur eins durch: Der ewige Streit zwischen den Koalitionären, den die Kanzlerin bereits mit einem Machtwort zu unterbinden versucht. Doch aufgeben wollte und will die FDP ihr Hauptanliegen nicht und schnuppert nun Morgenluft. Denn der Streit der Koalitionäre macht sich auch bei den Umfrageergebnissen für die Liberalen bemerkbar. Und die brauchen dringend einen Auftrieb.

Auf Sparanstrengungen pochend

Dann also wieder das Thema Steuersenkungen. Für Merkel wird dies aber alles andere als gelegen kommen. Denn auch die Union kämpft durch den koalitionsinternen Streit mit sinkenden Umfragewerten. Und für die Kanzlerin und ihren Finanzminister war kein leichtes Unterfangen, das umfassende Sparpaket, dass vor allem auf Einsparungen im Sozialbereich setzt, den Menschen in Deutschland zu vermitteln.

Und so betonten die Koalitionäre am Dienstag erneut, dass trotz der geringeren Schuldenaufnahme die Sparanstrengungen nicht über den Haufen geworfen werden dürfen - auch von der FDP. Generalsekretär Christian Lindner etwa sagte: "Die positive Entwicklung der Steuereinnahmen darf kein Vorwand sein, um den nachhaltigen Spardruck auf Staat und Politik zu reduzieren."

Vielmehr müsse die Koalition ihre Anstrengungen hinsichtlich struktureller Reformen verstärken. Und von Konsolidierungserfolgen könnten auch die Bürger mittelfristig durch eine Steuerentlastung betonen.

Doch statt die Haushaltskonsolidierung abzuwarten, preschen Brüderle und Co nun erneut vor. Während Kanzlerin und Finanzminister den Bürgern versuchen deutlich zu machen, dass alle sparen müssen, stellt die FDP wieder Erleichterungen in Aussicht. Ob dies allerdings dem Bürger positiv zu vermitteln ist, ist nicht unbedingt zwingend - zumal in diesem Fall Steuererleichterungen gegen Einschnitte im Sozialbereich stehen.

Und so wiegelt bereits Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) ab. Es sei "falsch, den jetzt unbestreitbar spürbaren konjunkturellen Entlastungseffekten eine dauerhafte, sprich strukturelle Steuersenkung gegenüberzustellen", sagte er im Deutschlandfunk. Steuersenkungen seien vor diesem Hintergrund "nicht mit den Prinzipien einer nachhaltligen Finanzpolitik vereinbar", weil sie im Falle eines konjunkturellen Abschwungs eine Steigerung des Defizits zur Folge hätten.

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