Tabak, Kerosin, Atomenergie... Die Regierung prüft neue Steuern

Berlin (RPO). Trotz aller Dementis prüft die Bundesregierung neben Ausgabenkürzungen auch neue und höhere Steuern und Abgaben, um in den nächsten Jahren die 60-Milliarden-Euro-Lücke im Bundeshaushalt zu schließen. Diskutiert werde eine Erhöhung der Tabaksteuer, hieß es am Mittwoch in Koalitionskreisen.

Steuersenkungen - kaum einer glaubt Merkel
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Foto: ddp

Die Energiekonzerne sollten zudem einen Teil ihrer zusätzlichen Gewinne über eine neue Brennelementesteuer an den Staat abführen müssen, wenn die geplante Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken in die Tat umgesetzt sei. Nicht vom Tisch ist auch die Anhebung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von derzeit noch 2,8 Prozent der Bruttogehälter auf vier Prozent ab Januar.

Die Regierung muss von 2011 an in gleichmäßigen Schritten jährlich aufs Neue etwa zehn Milliarden Euro aufbringen, um im Jahr 2016 die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen. Grundlinien will das Kabinett am Sonntag und Montag auf einer Klausur im Kanzleramt festlegen.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zwar mehrfach, zuletzt am vergangenen Wochenende, erklärt, es solle keine Steuererhöhungen geben. Doch am Mittwoch wollte er Berichte über eine Atomsteuer oder die Erhöhung der Tabaksteuer weder bestätigen noch dementieren: "Mit dieser Frage muss ich Sie bis zum Wochenende allein lassen", sagte er.

Der Spardruck wird nach den jüngsten Berechnungen Schäubles in den kommenden Jahren immerhin etwas geringer sein als bislang angenommen. Die Neuverschuldung des Bundes werde nicht, wie bislang geplant, bei 80,2 Milliarden Euro liegen, sondern bei "70 Milliarden Euro oder weniger", erfuhr unsere Redaktion aus hochrangigen Koalitionskreisen.

Für Arbeitslose erwarte die Regierung 2010 dank der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt Minderausgaben von etwa vier Milliarden Euro. Zudem könne der Bund 2,6 Milliarden Euro bei den Zinsausgaben sparen. Die Versteigerung von UMTS-Lizenzen habe 4,4 Milliarden Euro zusätzlich eingebracht. Bei den Steuereinnahmen würden vier Milliarden Euro mehr erwartet. Insgesamt könne die Nettokreditaufnahme demnach sogar um bis zu 15 Milliarden Euro geringer ausfallen als bisher geplant, hieß es aus den Kreisen.

Das geringere Minus im laufenden Jahr würde den Ausgangspunkt für den nötigen Defizitabbau in den Jahren 2011 bis 2016 etwas nach unten verschieben, sagte Schäuble. "Wir werden auf der Gesamtstrecke bis 2016 einen etwas geringeren Rückführungsbedarf des strukturellen Defizits haben." 2011 will die Regierung laut Schäuble jedoch mehr sparen, als sie nach den neuen Zahlen eigentlich müsste.

Die Parteichefs von CDU, CSU und FDP, Angela Merkel, Horst Seehofer und Guido Westerwelle, wollen das Augenmerk zunächst auf die Ausgabenkürzungen legen. Geprüft werden etwa Einsparungen bei den Eingliederungshilfen für Langzeitarbeitslose, die 6,6 Milliarden Euro pro Jahr verschlingen. Auch bei den Hartz-IV-Verwaltungsausgaben, die bisher auf 4,4 Milliarden Euro veranschlagt sind, soll gespart werden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) soll Förderprogramme bündeln und streichen. BA-Chef Frank-Jürgen Weise hatte hier Einsparungen von zwei Milliarden Euro vorgeschlagen.

Aus der Förderung des Steinkohlebergbaus will der Bund noch schneller aussteigen als bisher vorgesehen. Kürzungen werden auch bei der so genannten Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur geprüft, von der vor allem die ostdeutschen Länder profitieren.

Auch der ab 2011 geplante Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses steht zur Disposition. Er wolle einen Beschluss dazu allerdings dem Bundestag überlassen, sagte Bauminister Peter Ramsauer (CSU). Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will die Bundeswehr zudem um 40.000 Soldaten verringern.

Auch die Beamten sollen einen Sparbeitrag leisten. "Wir müssen die Personalstärke über die Zeit zurückfahren", sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister. In der Koalition werden auch Gehaltskürzungen diskutiert, die Altersbezüge blieben bisher aber ausgenommen.

Da die Konsolidierung bis 2016 mit Ausgabenkürzungen allein nicht zu machen ist, denkt die Regierung schon jetzt über höhere Abgaben nach. Ramsauer prüft eine Lkw-Maut auch auf vierspurigen Bundesstraßen. Bisher gilt sie nur auf den Autobahnen und einigen wenigen Bundesstraßen.

Im Gespräch ist zudem die schnelle Einführung einer Kerosinsteuer. Der Finanzsektor soll zudem zusätzlich zur geplanten Bankenabgabe über eine europäische Finanzmarktsteuer zur Kasse gebeten werden.

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